Mittlerweile scheint sich die Ansicht durchzusetzen, dass eine Ernährung und Haltung dann ideal ist, wenn sie naturnah, also möglichst ähnlich der Natur ist. Je ähnlicher die Haltung dem natürlichen Lebensraum ist, desto artgerechter. Und je mehr "wie in der Naur" gefressen werden kann, desto gesünder.
Prinzipiell ist dieser Ansatz sicherlich richtig, denn die Natur hat über Jahrtausende sich immer weiter entwickelt und Tiere sich über gigantische Zeiträume den Lebensraum gesucht, der am ehesten sie förderte und das Nahrungsspektrum, das ihnen ein Überleben am besten ermöglichte,also am gesündesten ist (denn Gesundheit = gute Überlebenschance).
Allerdings nimmt das mittlerweile Ausmaße an die in viele Verallgemeinerungen münden. Und gerade diese Verallgemeinerungen halte ich für sehr gefährlich. Deshalb möchte ich hier mit diesem Thema zur Diskussion aufrufen: Was macht wirklich die "best mögliche Ernährung und Haltung" in menschlicher Hand aus, gibt es überhaupt "eine Methode" die ideal ist oder ist gerade die Individualität des Halters und und der Umstände entscheidend "die perfekte Lösung" zu finden?
Mit Verallgemeinerungen meine ich beispielweise folgende:
- Kaninchen sollten auf keinen Fall Trockenfutter bekommen!
- Kaninchen müssen idealerweise draußen und freilaufend auf möglichst großer Fläche gehalten werden.
Ein Kaninchen das mehr Platz hat lebt sicherlich "naturnaher" als ein Kaninchen auf weniger Platz. Ist das aber somit automatisch "artgerechter"? Ich persönlich halte solche Verallgemeinerungen für gefährlich.
Oder lebt ein freilaufendes Kaninchen (= naturnäher) automatisch artgerechter als ein Gehege-Kaninchen? Und eines das Frischfutter erhält (naturnah) artgerechter als eines das Trockenfutter bekommt? Alles sehr allgemein.
Haustierhalung ist nicht natürlich: Haustiere zu "halten" heißt sie in bestimmten Lebensbereichen einzuschränken und einzugreifen (Krankheit, Geburtenregelung, Ernährung...). Von "Natur" kann also keine Rede sein. Deshalb kann man auch nur von "naturnaher" und nie von "natürlicher Haltung" sprechen.
Ein weiterer Punkt ist folgender:
"Wie artgerecht ist es, näher an der Natur zu sein oder anders ausgedrückt "naturnäher" zu halten?"
Wenn etwas "naturnah" aber nicht "natürlich" ist, gibt es Probleme. Denn Natur bedeutet "Gleichgewicht" und dieses ist bei einer naturnahen Haltung nicht immer gewährt!
Also müssen Nachteile, die durch die Einschränkungen der Haustierhaltung entstehen durch "Unnatürlichkeit" ausgeglichen werden.
Eine Kaninchengruppe auf 20m² naturnahen Lebensraum ohne Nachteile die durch die Platzeinschränkung entstehen zu halten kann teilweise eine Haltung weit weg von jeder "Artgerechtigkeit" führen.
Auch wenn alle anderen Faktoren (Nahrung usw.) natürlich sind. Nur eine Einschränkung (oftmals Geburtenregelung, Platzbeschränkung, Fütterung, Schutz vor Raubtieren/Keine Selektion durch die Umwelt usw.) erfordert schon einen unnatürlichen Ausgleich damit es artgerecht bleibt.
Platz als Beispiel:
Wenn die Kaninchen nicht "so viel Platz wie sie brauchen" haben kommt es zu folgenden Problemen die künstlich/unnatürlich ausgeglichen werden müssen um Krankheiten zu verhindern:
- Hygiene: Die Ausscheidungen verseuchen den Boden, die Kaninchen sitzen im eigenen Mist (Lösung: ausmisten, hygienischer/unnatürlicher Untergrund usw.)
- Ernährung: Die Nahrung ist schnell knapp und die Kaninchen können nicht wandern um bestimmte Pflanzen zu suchen usw. (Lösung: Künstliche Fütterung)
Daher kann gerade ein total unnatürlicher Faktor (wie z.B. eine Kastration wenn man Kaninchen vor natürlichen Feinden schützt) nötig sein damit die Kaninchen artgerecht leben.
Daher kann man eine Maßnahme nicht allein dadurch verurteilen, dass sie "unnatürlich" ist!
Fazit: Eine "naturnahe Haltung" ist nur dann artgerechter als eine andere Haltungsform, wenn Nachteile, die durch das "halten", also menschliche Einschränkungen entstehen, künstlich/unnatürlich ausgeglichen werden. Ansonsten kann sie in manchen Fällen den Tieren mehr schaden als nutzen. Naturnah ist also nicht gleichbedeutend mit artgerecht!
Haltungs-Ernährungs-Ideologien: natürlich naturnah oder was?
Moderator: Emmy
- saloiv
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Re: Haltungs-Ernährungs-Ideologien: natürlich naturnah oder
Das sehe ich auch so.saloiv hat geschrieben:
Allerdings nimmt das mittlerweile Ausmaße an die in viele Verallgemeinerungen münden. Und gerade diese Verallgemeinerungen halte ich für sehr gefährlich. Deshalb möchte ich hier mit diesem Thema zur Diskussion aufrufen: Was macht wirklich die "best mögliche Ernährung und Haltung" in menschlicher Hand aus, gibt es überhaupt "eine Methode" die ideal ist oder ist gerade die Individualität des Halters und und der Umstände entscheidend "die perfekte Lösung" zu finden?
Ichwürde sagen die perfekte Lösung ist eine Mischung aus individuellen Möglichkeiten des Halters, und der jeweiligen Tiere, wobei die Möglichkeitn des Halters natürlich nicht, oder zumindest so wenig wie Möglich die Gesundheit des Tieres und seine natürlichen Verhaltensweisen beeinflußen sollten.
Beide Verallgemeinerungen halte ich auch für falsch. Wenn ein Kaninchen z.B ( ich nehm jetzt ma extreme Totschlagargumente) seit 8 Jahren mit Vitakraft glücklich und gesund lebt....warum soll man die Ernährung ändern? Wenn gerade Kleinkinder den Garten bevölkern kann ein großzügiges Gehege für die Kaninchen besser (da streßfreier sein) als ständiges Fitnesstraining mit Kigakindern.saloiv hat geschrieben:
Mit Verallgemeinerungen meine ich beispielweise folgende:
- Kaninchen sollten auf keinen Fall Trockenfutter bekommen!
- Kaninchen müssen idealerweise draußen und freilaufend auf möglichst großer Fläche gehalten werden.
Das sehe ich im Falle des Platzbedarfes anders. Mehr Platz pro Kaninchen ist immer artgerechter als weniger.saloiv hat geschrieben:
Ein Kaninchen das mehr Platz hat lebt sicherlich "naturnaher" als ein Kaninchen auf weniger Platz. Ist das aber somit automatisch "artgerechter"? Ich persönlich halte solche Verallgemeinerungen für gefährlich.
Gerade bei Kaninchen.
Mit freundlichen Grunzern
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Re: Haltungs-Ernährungs-Ideologien: natürlich naturnah oder
Sehr schöner Text =)
Was mich schon lange stört ist diese 2 qm pro Kaninchen Regel? Wer sagt das 4 qm für 2 Tiere super sing aber für 10 qm für 6 Tiere dann aufeinmal zu klein (fiktives Beispiel)?! Ich finde man sollte alles individuell sehen, denn es gibt Tiere die weniger gerne Bewegung machen und andere die in einem 20 qm Gehege noch nicht geung Platz haben.
lg
Was mich schon lange stört ist diese 2 qm pro Kaninchen Regel? Wer sagt das 4 qm für 2 Tiere super sing aber für 10 qm für 6 Tiere dann aufeinmal zu klein (fiktives Beispiel)?! Ich finde man sollte alles individuell sehen, denn es gibt Tiere die weniger gerne Bewegung machen und andere die in einem 20 qm Gehege noch nicht geung Platz haben.
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Re: Haltungs-Ernährungs-Ideologien: natürlich naturnah oder
Ach ich kenne schon einige Fälle in denen ich zum kleineren Gehege raten würde. Als Beispiel:schweinsnase77 hat geschrieben:Das sehe ich im Falle des Platzbedarfes anders. Mehr Platz pro Kaninchen ist immer artgerechter als weniger.saloiv hat geschrieben:
Ein Kaninchen das mehr Platz hat lebt sicherlich "naturnaher" als ein Kaninchen auf weniger Platz. Ist das aber somit automatisch "artgerechter"? Ich persönlich halte solche Verallgemeinerungen für gefährlich.
Gerade bei Kaninchen.
- 1 Kaninchen kann wahlweise in der Garage ein 4m²-Gehege bekommen oder aber auf 3m² im Wohnzimmer leben. In dem Fall würde ich (wenn die Halter sich nicht von einer Abgabe überzeugen lassen und nur die zwei Optionen möglich sind) zur Wohnzimmer-Version raten, weil hier die Lebensqualität deutlich höher ist!
Ein Einzeltier auf 4m² in der Garage geht entweder an Lichtmangel oder Einsamkeit ein. Im Wohnzimmer hat es wenigstens eine nicht so reizarme Umgebung und etwas mehr Licht.
Auch wenn das Beispiel jetzt extrem klingt: So abwegig ist es in Deutschland nicht wie ich leider feststellen musste.

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Re: Haltungs-Ernährungs-Ideologien: natürlich naturnah oder
Da bleibt eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich sehe das erstmal prinzipiell genauso.
Ich treffe schon seit längerem in Diskussionen zu solchen Themen ganz bewusst die Unterscheidung zwischen Begriffen wie "artgerecht" oder "natürlich".
Klarerweise ist "natürlich“ in Gefangenschaft nicht machbar. "Naturnah" je nach Tierart schon, bei manchen allerdings auch das nicht (wir hatten ja gerade das Rennmausthema in dem anderen Thread). In den Fällen finde ich persönlich schon, dass so naturnah wie möglich das erstrebenswerte Ziel ist. Ich finde eine große Kaninchengruppe in Außenhaltung mit großzügiger Frischfutterfütterung schon optimal und halte das für einen positiven Orientierungspunkt. Allerdings heißt das nicht im Umkehrschluss, dass ich der Meinung bin, dass Kaninchen bei Abweichungen davon zwangsläufig leiden. Und da kommt eben der Begriff „artgerecht“ ins Spiel. Ich bin der Meinung, dass auch Wohnungskaninchen artgerecht und kaninchenlebenswert gehalten werden können.
Artgerecht bedeutet für mich, dass ein Tier die Gelegenheit hat die wichtigsten natürlichen Verhaltensweisen auszuführen, die es nicht ausschließlich aus Stressvermeidung (Stichwort Feinddruck und Angstreaktionen) etabliert und eine Haltung, die die Gesundheit eines Tieres erhält. Allerdings ist das ein Knackpunkt, an dem sich Geister scheiden können. Welche Verhaltensweisen sind denn die wichtigsten? Was macht wirklich krank?
Ich bin versucht zu sagen, all jene Verhaltensweisen, die dann, wenn sie nicht ausgeführt werden können häufig zu Verhaltensstörungen führen (das heißt nicht, dass jedes Tier diese Störungen zeigen muss für diese Bewertung, sondern eine deutliche Zahl von Tieren in vergleichbarer Situation). Dazu gehört für mich definitiv den artgleichen Sozialkontakt für soziale Tiere zu ermöglichen.
Dazu gehört angemessene Beschäftigung und angemessener Platz bzw die Möglichkeit sich der Art entsprechend zu bewegen (Klettertiere sollten klettern dürfen, Vögel brauchen Flugmöglichkeiten usw).. aber da ist schon der erste Punkt, wo man streiten könnte. Muss ein Kaninchen wirklich buddeln können? Ist ein Kaninchen, welches anders beschäftigt wird, wirklich gestört, wenn es nicht buddeln kann? Reicht es, wenn es scharren kann, oder müssen wirklich Gänge möglich sein?
In der Wildtierstation, in der ich gearbeitet habe leben einige Wildkaninchen. Regelmäßig fand man Kaninchen(!)Nester bei den Ziegen im Stall oder in der Heukammer...oberirdisch... einfach in einer Mulde.. obwohl sie die Möglichkeit hatten Gänge zu graben...also offensichtlich ist zum Beispiel die Annahme, dass Kaninchen natürlicherweise ihr Jungen unterirdisch zur Welt bringen auch nicht unmstößlich in der Natur, wenn es sich entsprechend sicher fühlt.
Wenn ein Kaninchen in Wohnungshaltung andere Schutzstätten hat, ist es dann wirklich noch auf selbstgegrabene Gänge angewiesen? Manch einer sagt ja. Ich denke in solchen Fragen ist einfach auch ein weiter Spielraum für eigene Interpretationen, wo es keine klaren Antworten geben kann.
Entsprechend meiner Definition für artgerecht würde ich persönlich reine Trockenfutterernährung nicht gutheißen, weil es mutmaßlich einfach bei einer deutlichen Anzahl von Tieren zu Gesundheitsproblemen (Blasengeschichten zB ) führt. Das ist wie mit dem Rauchen. Nur weil manch einer damit steinalt wird, finde ich es dennoch verwerflich, denn dass es in vielen Fällen doch zu Gesundheitsproblemen führt ist bekannt. Der Unterschied ist, dass die Sache mit dem rauchen jeder selbst wissen muss, mehr oder minder schadet er sich damit hauptsächlich selbst. Bei einem Tier in der Obhut ist ader aber eine andere Geschichte, da schadet mand em Tier.
Das nicht jedes Tier auf eine Unangemessenheit gleich reagiert ist normal, dafür sind sie Lebewesen und keine Maschinen. Manch ein Kaninchen zeigt keine deutlichen Auffälligkeiten bei Käfighaltung, weil es das vom Gemüt einfach wegsteckt. Empfehlenswert ist es dennoch nicht obwohl der Halter richtigerweise das Argument anbringen könnte, dass es keine Leidenserscheinungen zeigt. Daher mag ich meine Definition von artgerecht nicht vor eher unerfahrenen (oder unaufmerksamen) Haltern darlegen, weil die sehr subjektiv ausgelegt werden kann. Lieber sage ich dann, dass bestimmte Sachen generell nicht artgerecht sind.
Noch ein Problem mit dem Begriff habe ich bei sehr domestizierten Tieren wie Hunden zum Beispiel. Mein Hund liegt gerade neben mir auf der Couch und schläft und träumt. Mein Hund nutzt Gassigänge für Sozialkontakte mit teils fremden Tieren. Mein Hund lebt so weit weg von eine natürlichen Hundehaltung wie ich von einer natürlichen Menschenhaltung. Ich bin aber auch nicht scharf darauf, jetzt in die nächste freistehende Höhle zu ziehen und mich mit meiner Sippe ums Feuer zusammen zu rotten ;-).
Ist dieses freundliche Zugehen meines Hundes auf andere Hunde nicht im eigentlichen Sinne eine Verhaltensstörung?
Dennoch denke ich, dass es für sie eine artgerechte Haltung (Sozialkontakte und auf Hundeart ausgepowert zu werden... das kann ich auch mit 2 Stunden Gassi gehen nicht so, wie 10 Minuten Toben mit einem anderen Hund) ermöglicht und sinnvoll ist, auch wenn ein Wolf sowas nie tun würde..
Ich treffe schon seit längerem in Diskussionen zu solchen Themen ganz bewusst die Unterscheidung zwischen Begriffen wie "artgerecht" oder "natürlich".
Klarerweise ist "natürlich“ in Gefangenschaft nicht machbar. "Naturnah" je nach Tierart schon, bei manchen allerdings auch das nicht (wir hatten ja gerade das Rennmausthema in dem anderen Thread). In den Fällen finde ich persönlich schon, dass so naturnah wie möglich das erstrebenswerte Ziel ist. Ich finde eine große Kaninchengruppe in Außenhaltung mit großzügiger Frischfutterfütterung schon optimal und halte das für einen positiven Orientierungspunkt. Allerdings heißt das nicht im Umkehrschluss, dass ich der Meinung bin, dass Kaninchen bei Abweichungen davon zwangsläufig leiden. Und da kommt eben der Begriff „artgerecht“ ins Spiel. Ich bin der Meinung, dass auch Wohnungskaninchen artgerecht und kaninchenlebenswert gehalten werden können.
Artgerecht bedeutet für mich, dass ein Tier die Gelegenheit hat die wichtigsten natürlichen Verhaltensweisen auszuführen, die es nicht ausschließlich aus Stressvermeidung (Stichwort Feinddruck und Angstreaktionen) etabliert und eine Haltung, die die Gesundheit eines Tieres erhält. Allerdings ist das ein Knackpunkt, an dem sich Geister scheiden können. Welche Verhaltensweisen sind denn die wichtigsten? Was macht wirklich krank?
Ich bin versucht zu sagen, all jene Verhaltensweisen, die dann, wenn sie nicht ausgeführt werden können häufig zu Verhaltensstörungen führen (das heißt nicht, dass jedes Tier diese Störungen zeigen muss für diese Bewertung, sondern eine deutliche Zahl von Tieren in vergleichbarer Situation). Dazu gehört für mich definitiv den artgleichen Sozialkontakt für soziale Tiere zu ermöglichen.
Dazu gehört angemessene Beschäftigung und angemessener Platz bzw die Möglichkeit sich der Art entsprechend zu bewegen (Klettertiere sollten klettern dürfen, Vögel brauchen Flugmöglichkeiten usw).. aber da ist schon der erste Punkt, wo man streiten könnte. Muss ein Kaninchen wirklich buddeln können? Ist ein Kaninchen, welches anders beschäftigt wird, wirklich gestört, wenn es nicht buddeln kann? Reicht es, wenn es scharren kann, oder müssen wirklich Gänge möglich sein?
In der Wildtierstation, in der ich gearbeitet habe leben einige Wildkaninchen. Regelmäßig fand man Kaninchen(!)Nester bei den Ziegen im Stall oder in der Heukammer...oberirdisch... einfach in einer Mulde.. obwohl sie die Möglichkeit hatten Gänge zu graben...also offensichtlich ist zum Beispiel die Annahme, dass Kaninchen natürlicherweise ihr Jungen unterirdisch zur Welt bringen auch nicht unmstößlich in der Natur, wenn es sich entsprechend sicher fühlt.
Wenn ein Kaninchen in Wohnungshaltung andere Schutzstätten hat, ist es dann wirklich noch auf selbstgegrabene Gänge angewiesen? Manch einer sagt ja. Ich denke in solchen Fragen ist einfach auch ein weiter Spielraum für eigene Interpretationen, wo es keine klaren Antworten geben kann.
Entsprechend meiner Definition für artgerecht würde ich persönlich reine Trockenfutterernährung nicht gutheißen, weil es mutmaßlich einfach bei einer deutlichen Anzahl von Tieren zu Gesundheitsproblemen (Blasengeschichten zB ) führt. Das ist wie mit dem Rauchen. Nur weil manch einer damit steinalt wird, finde ich es dennoch verwerflich, denn dass es in vielen Fällen doch zu Gesundheitsproblemen führt ist bekannt. Der Unterschied ist, dass die Sache mit dem rauchen jeder selbst wissen muss, mehr oder minder schadet er sich damit hauptsächlich selbst. Bei einem Tier in der Obhut ist ader aber eine andere Geschichte, da schadet mand em Tier.
Das nicht jedes Tier auf eine Unangemessenheit gleich reagiert ist normal, dafür sind sie Lebewesen und keine Maschinen. Manch ein Kaninchen zeigt keine deutlichen Auffälligkeiten bei Käfighaltung, weil es das vom Gemüt einfach wegsteckt. Empfehlenswert ist es dennoch nicht obwohl der Halter richtigerweise das Argument anbringen könnte, dass es keine Leidenserscheinungen zeigt. Daher mag ich meine Definition von artgerecht nicht vor eher unerfahrenen (oder unaufmerksamen) Haltern darlegen, weil die sehr subjektiv ausgelegt werden kann. Lieber sage ich dann, dass bestimmte Sachen generell nicht artgerecht sind.
Noch ein Problem mit dem Begriff habe ich bei sehr domestizierten Tieren wie Hunden zum Beispiel. Mein Hund liegt gerade neben mir auf der Couch und schläft und träumt. Mein Hund nutzt Gassigänge für Sozialkontakte mit teils fremden Tieren. Mein Hund lebt so weit weg von eine natürlichen Hundehaltung wie ich von einer natürlichen Menschenhaltung. Ich bin aber auch nicht scharf darauf, jetzt in die nächste freistehende Höhle zu ziehen und mich mit meiner Sippe ums Feuer zusammen zu rotten ;-).
Ist dieses freundliche Zugehen meines Hundes auf andere Hunde nicht im eigentlichen Sinne eine Verhaltensstörung?
Dennoch denke ich, dass es für sie eine artgerechte Haltung (Sozialkontakte und auf Hundeart ausgepowert zu werden... das kann ich auch mit 2 Stunden Gassi gehen nicht so, wie 10 Minuten Toben mit einem anderen Hund) ermöglicht und sinnvoll ist, auch wenn ein Wolf sowas nie tun würde..
"Ein gutes Buch, das von majestätischer Unerschlossenheit an seiner Stelle im Regal steht, stellt die aufmunternste Form intellektueller Wandverkleidung dar!" (David Quammen "Die Hörner des Rhinozeros")