Biskit - ein Hund, viele Baustellen

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Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » Mi 3. Jun 2020, 13:27

Hallo in die Runde!

Ich hab da mal etwas Gesprächsbedarf und brauche Ideen und Anregungen ;)
Vorweg: ich bin glücklich darüber, Biskit bei mir zu haben und er/wir haben schon so viele Fortschritte in dem guten Dreiviertel Jahr gemacht, dass ich wirklich stolz auf uns bin :freu: Ich bin auch sicher, dass er sich weiter entwickeln wird und die Welt in ein, zwei Jahren schon wieder ganz anders aussehen wird. Aber es schadet ja nicht, möglichst viel dafür zu tun, sich auszutauschen und Weiterzubilden ;) Außerdem braucht er aktuell durch viele Situationen Hilfe - und da habe ich noch Lücken, kann ihm oft nicht ausreichend helfen.

Kurz zu Biskit: er ist ein mittelgroßer Mischling vom Windhundtyp, ca Februar 2018 im Oman geboren. Als „Welpe“ (Alter unklar) wurde er mit Gleichaltrigen von einer Dame von der Straße geholt - alle wohl unterschiedlich stark verletzt. Sie hat die Hunde wohl aufgepäppelt, leider schon mit 6 Monaten kastrieren lassen und dann privat vermittelt. Über ein paar Kontakte kam Biskit dann Anfang 2019 nach Deutschland zu einer jungen Familie. Diese hat ihn aber schon im Sommer wieder abgegeben - ich habe ihn im August von dort mit einigen Baustellen geholt. Er hat ein paar Narben am Körper und offenbar viele auf der Seele. Zu mir hat er sehr schnell Kontakt aufgenommen (ich habe ihn einmal angeschaut, dann abgeholt, etwa 12h bei ist er auf mich zu), danach recht zügig mit meiner Mama und meiner Schwester und seit Herbst gehört auch mein Freund zu „seiner Familie“ - Gassi gehen eigentlich nur mein Freund und ich, aber wir alle 4 können in entspanntem Umfeld mit dem Hund quasi „alles“ machen. Er duldet wirklich viel an Manipulation, verweigert sich aber deutlich, wenn sein Unbehagen länger oder mehrmals nicht zu einem Ende geführt hat - dann knurrt er, schiebt Hände und sich weg, geht und ich denke, er würde als letzte Instanz auch seine Zähne nutzen. Auf Grundstücken, auf denen er schon öfter war, meldet er (potenziell) hereinkommende Menschen sicher, zuverlässig und deutlich, aber freundlich.
Insgesamt ist er ein sehr sensibler Hund mit unglaublich hoher Auffassung, schneller Reizweiterleitung und Reaktion - Unbehagen und Unsicherheit steigert sich bei ihm schnell in Angst und Panik. Trigger sind besonders plötzliche Geräusche, Windgeräusche, fremde Menschen - insbesondere Ansammlungen oder hinter uns laufende, Fahrräder, fahrende Autos/LKWs/Motorräder (insgesamt Straßenverkehr).
Bei einem Intensiv-Training bei einer Trainerin habe ich zu seiner Körpersprache viel gelernt - er ist da sehr fein, durch sie habe ich das sehr schnell zu entziffern gelernt. Zumindest meistens klappt es. Mit einem anderen Trainer habe ich zu Hause gearbeitet - dadurch dass er hauptsächlich über Marker arbeitet und das nichts für mich im Alltag ist, haben wir die Einzelcoachings gelassen, werden aber noch ein Mantrailing-Versuch angehen - Ohne Leistungsdruck, sondern nur, um Biskit im Rahmen von einer spaßigen Sache (wenn er denn Spaß daran hat) an seine Trigger heranzuführen und so die negativen Emotionen hoffentlich „überschreiben“. Ein Versuch ist es wert. Ansonsten habe ich mit dem Trainer einiges aus dem Lernverhalten und der Hormonwirkung aus meinem Hinterkopf geholt.
Aktuell lese und schaue und rede ich viel zu Verhalten, Lernen, Emotionen und Hormonen, Kommunikation unter Hunden und zwischen Hund und Mensch. Und mache neben „Alltagstraining“ (bei jedem zur Tür raus gehen...) etwas Medical Training. Ansonsten läuft hier nicht viel.

Soviel zur Situation. Dann komm ich mal zu meinen einzelnen Punkten.
1. Er hatte ANfang des Jahres eine Zahnfleischentzündung mit Zahnsteinbildung, die ANtibiotikum brauchte, und jetzt fängt schon wieder eine Entzündung an. Die TA meinte das letzte Mal schon, dass wir bei einem so jungen Hund mit Maulproblemen nicht ums Putzen rumkommen. Jetzt hab ich für die Zeit des Trainings ein Spray und hochwertige Kaustangen geholt, bei denen ich das Gefühl hatte, es bringt ein bisschen was. Wir sind jetzt aber noch lange nicht so weit, Zähne zu putzen (also ich könnte ihm schon die Zähne putzen, aber das wäre weit von freiwilliger Mitarbeit entfernt und er muss das ja bis an sein Lebensende dulden...). Fleischbrocken zur Zahnreinigung fallen raus - roh verträgt er nicht gut und mit tierischem muss ich eh aufpassen, da er sonst überdreht, hibbelig und unruhig wird und schlecht runter kommt. :hm: Was kann ich denn machen? Und würdet ihr eher Zwang anwenden oder in Kauf nehmen, dass noch eine (falls es blöd läuft 2) AB-Behandlungen Nötig werden, bis Zähneputzen klappt?

2. Er läuft an einem Sicherheitsgeschirr und meistens an einer 5m Biothane-Leine. Durch das Leinengewicht, aber spätestens wenn er versucht, seitlich auszuweichen/zu fliehen, verrutscht das Geschirr, so dass die Öse seitlich hängt. Durch seinen spitzen Brustkorb rutscht er auch nicht mehr mittig, sondern erst auf Zug und dann komplett auf die andere Seite. Ich hatte verschiedene Geschirre ausprobiert und auch eines anfertigen lassen - das was er hat, war das einzige, dass er gut trägt (ich versuche ein Bild anzuhängen). Seit etwa 2 Monaten fällt mir auf, dass sein Rücken im Stehen dort, wo der mittlere Gurt läuft, nach unten absackt. Kann das vom Geschirr-/Leinenmanagement kommen? Und wie löse ich das? Die 3m Leine ist fast genauso schwer und dauerhaft oder hauptsächlich die 1m kommt nicht in Frage, da kein Freilauf möglich ist (also nur in umzäunten Gebiet und da hab ich keine Möglichkeit für mehrmals die Woche, sondern eher so 2 mal im Monat).

3. War so nicht geplant und wir werden die Wohnsituation sowieso ändern - aber aktuell und ich weiß nicht, wie lange noch, wohnen mein Freund und ich mit dem Hund im Ortskern (offiziell Stadt, eher Dorf) - das heißt, bei jedem rausgehen begegnen wir tagsüber all seinen Triggern. Zum Bach, Feld und Auto ist es jeweils nicht weit - aber eben für ihn immer anstrengend. Je nach seiner und meiner Tagesverfassung und Verkehr kann der Weg sehr gut laufen (er ist nur etwas unsicher) oder so eine Panik auslösen, dass gar nichts geht, wir zurück müssen und der Hund nichtmal pinkeln konnte. Insgesamt läuft es besser, wenn wir zu zweit sind, ich „da“ bin und Körperspannung habe oder es nachts ist (also kaum was los). An schlimmen Ecken kommen wir am besten joggend vorbei (schwanger im dritten Trimester ist da aber meine Möglichkeit begrenzt). Stehenbleiben und runter kommen lassen, kann zu einer Verbesserung führen, aber bei der falschen Wartezeit auch zu völliger Panik führen - das ist also eine Gratwanderung. Seit etwa 2 Monaten üben wir, dass ich zwischendurch ganz bewusst die Führung übernehme, er hinter oder neben mir läuft - wenn er entspannt ist, klappt das super. Wenn er unsicher ist, kann ich es einfordern und er nutzt es teilweise von sich aus. Aber wenn er weiter unruhig wird und/oder in Angst oder gar Panik verfällt, geht nichts mehr.
Wie würdet ihr da ran gehen?

4. Auch draußen betreffend. Er diskutiert hin und wieder ausführlich über die Richtung - wenn er vor etwas Schiss hat und das nicht „weg geht“, gehe ich mit ihm wenn möglich einen anderen Weg. Ebenso, wenn ich ihn aus Versehen überfordert habe, er durch ist und Richtung nach Hause möchte. Es gibt aber natürlich sehr viel mehr Situationen, in denen ich auf meinem Weg bestehe. Verbal ist da nichts zu holen - körpersprachlich meistens auch nicht oder ich bin zu schlecht. Wenn ich ihm den Weg versperren und/oder ihn in meine Richtung drücken will, muss ich ja erst auf ihn zu, was er verständlicherweise als Einstimmung in seine Richtung versteht und dann versucht er sich auch an mir vorbeizudrücken. Ziehen geht nicht - da müsste ich ihn über den Boden schleifen (mal abgesehen davon, dass ich generell möglichst wenig an der Leine rumziehen will). Aussitzen und warten geht nicht immer (Straße) und kann auch über 10 Minuten dauern... Vorbeijoggen, wenn ich es voraussehen kann, funktioniert, aber umgeht den Konflikt, statt ihn zu lösen - und ist außerdem auch nicht immer und vermutlich nicht mehr lange möglich... Wie löst ihr das?

5. Von draußen nach drinnen: In unserer Wohnung ist er wie depressiv - total antriebslos, zu nichts zu motivieren und sieht nicht sonderlich glücklich aus. Besonders wenn mein Freund arbeiten ist und ich alleine daheim bin, passiert aber auch nicht viel: er kann zu einem Fenster auf Dächer, ein paar Baumwipfel und ne Hand voll Vögel rausschauen, ich putze mal ne Stunde oder 2 und mach essen, hab aber sonst auch viel sitzende Tätigkeit, die Meerschweine wohnen auch nicht hier, also kann er auch die nicht gucken. Bei meiner Mama hat er 2 bodentiefe Fenster in den großen Garten mit Vögeln und Hühnern und der Straße vorm Grundstück, mindestens 2, eher 3 oder 4 Menschen und 2 Katzen, die ihr Ding machen und er hat einfach bisschen was zu gucken. Da liegt er auch rum (ist ja völlig richtig), aber sieht dabei glücklich und zufrieden aus und ist auch einfach zu motivieren/animieren. Wie kann ich ihm denn die langweilige Wohnung etwas anregender machen?

6.Wie zur Hölle bringe ich ihm bei, sich zu melden, wenn er mal muss? Selbst dass er unruhig wird, ist äußerst selten. Wenn er wach wird und sich aufsteht, denke ich meistens „oh, vielleicht will er jetzt mal raus“ - und dann dreht er sich um und geht, wenn ich das Geschirr in der Hand habe. Kann also nicht so dringend sein - wenn es wirklich bressiert, kommt er zum Geschirr hin. Aber das ist halt, wenn man ihn mal nach vielen Stunden weckt...

7. damit zusammenhängend: Gibt es Hunde, die einfach erst abends wach werden? Wenn wir ihn nicht wecken und aus dem Schlafplatz „werfen“, steht er frühestens um halb 12, 12 auf (wenn das letzte Gassi abends gegen 12 war). Dann gehen wir raus, danach bekommt er Futter und dann legt er sich wieder hin. Vielleicht kommt er dann, wenn ich was esse, frisst dann etwas und legt sich dann aber wieder hin - rausgehen nicht möglich, ohne ne viertel Stunde zu überreden. Er steht dann erst wieder gegen 5 oder 6 auf. Dann geht er einigermaßen gut mit raus, manchmal auch sehr gut. Danach frisst er dann wieder und will dann schon, dass man sich mit ihm beschäftigt - am besten Kuscheln...aber ab da ist er dann viel wach, kuschelt, vielleicht kann man auch mal etwas spielen. Ab etwa 9 kann man sehr schön mit ihm raus gehen, da ist er dann draußen recht gut gelaunt - je nachdem was noch los ist. Nachts ist es dann richtig super draußen! Da steht er sogar meistens nochmal für auf, ist begeistert, tollt rum, schaut sich alles an und ist auch danach daheim wieder noch etwas „aufgekratzt“ - selten zu sehr, sondern eben einfach noch aktiv, aber fährt zügig wieder runter. Aber das kommt mir insgesamt halt irgendwie so seltsam vor - den Großteil des Tages ist er richtig antriebslos und will nicht raus, muss kaum pinkeln und Abends / Nachts hab ich dann das Gefühl, einen einigermaßen normalen, 2 jährigen Hund zu haben.

So, ich glaube ich bin fertig :schäm: Und ich freu mich auf eine interessante Unterhaltung!
Liebe Grüße!
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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » Sa 6. Jun 2020, 07:46

Hachja, im ersten Beitrag gar nicht mehr dran gedacht, weil ich so schon versucht habe, alles und verständlich und möglichst kurz zusammenzutragen:
8. offensichtlich führe ich/führen wir nicht souverän genug. Wenn Biskit sehr angespannt oder erregt ist, wird er zum Leinenpöbler, der sich auch an uns vorbei drängt, um vor zu kommen und zu pöbeln. Wenn er einigermaßen entspannt oder nur etwas unsicher ist, ist er super sozial - entweder er mag den Hund (gibt ne kurze höfliche Begrüßung und dann entweder ein Spiel oder er geht einfach weiter) oder er läuft gleich nen Bogen weiter. Wenn er eh schon Angst hat, will er auch nix mit anderen zu tun haben. Auf alle Fälle können wir alle normalerweise einfach easy an anderen vorbei - maximal will er hin und fiept deshalb und versucht, dem anderen nachzulaufen. Und dann gibt es Tage wie gestern - da hat er alle uns entgegenkommenden Hunde angepöbelt. Aber frage nicht wie. Wir waren zu zweit mit ihm unterwegs und sind dann nach dem ersten Hundeentgegenkommen bei den anderen stehen geblieben, weil es im Laufen fast unmöglich war, zwischen ihm und dem Fremden zu bleiben. Und trotzdem hat er sich zwischen uns durch gequetscht um vorzukommen, gekeift, gebellt, geknurrt, in die Leine gehängt dass er danach erstmal gehustet hat, Fell aufgestellt am ganzen Rücken und Rute angespannt abstehend und zackig hin und her geschlagen, nicht mehr ansprechbar (weder verbal noch körpersprachlich) - also die maximale Erregung. Normalerweise geht bei ihm „Situationen lecker füttern“ relativ gut, wenn er denn noch was annimmt (also dann wird dem ganzen die Spitze genommen, bspw bei Angst vor fremden oder Verkehr). Nicht so gestern: Wurst gefressen, 2 sec länger ruhig geblieben und dann ging’s doch los. Tips außer festhalten?


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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Murx Pickwick » Sa 6. Jun 2020, 09:52

Das Gegenteil vom Festhalten - kontrolliertes Loslassen.

Habt ihr die Möglichkeit, einen gesicherten Garten oder so etwas für euch verfügbar zu machen?
Ihr braucht einen umzäunten Platz und einen möglichst souveränen Hund, der sich durch blöde Hundeanmache nicht aus der Ruhe bringen läßt. Wenn Biskit wieder so drauf ist, bleibt dann nur noch dieser umzäunte Platz und die kontrollierte Zusammenführung mit diesem souveränen Hund, bis Biskit sich wieder abregt ... so könnte man über Desensibilisierung an das Thema herangehen.
Ich kenne ehrlich gesagt keine Möglichkeit, den Hund kontrolliert loszulassen in einer solchen Gefühlsanspannung ohne gesichertem Platz und ohne ausgesucht souveränem, ruhigen Hund als Begleitung. Wenn dies nicht organisierbar ist, ist es unpraktikabel ... leider.

Ich vermute allerdings, daß hier noch ganz andere Faktoren eine Rolle spielen:
1. Die Frühkastration
Kastrationen führen immer zu erheblichen Hormonveränderungen, teilweise können sich die hormonellen Regelkreise nicht mehr regulieren, sie bleiben unregelmäßig und es kommt immer wieder zu Überproduktionen oder Unterproduktionen unterschiedlicher Hormone. Dies wiederum führt zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für diverse Erkrankungen, aber auch zu einer stark erhöhten Wahrscheinlichkeit für Verhaltensänderungen und extremen Gefühlsschwankungen.
Wichtig wäre hier, ein Tagebuch anzulegen, wo Wetter, Erregungszustand, Hundebegegnungen, Futter (was - wieviel) etc eingetragen werden. Manchmal bekommt man so raus, was den Erregungszustand erhöht.
2. Das Futter
Gerade im industriellen Futter sind immer wieder Substanzen beigemischt, welche bewußtseinsverändernd wirken können. Deswegen wäre ein Futtertagebuch sinnvoll.
Es sollte auch überlegt werden, ob und wie Biskit unbeschadet auf naturnahe Kost umgestellt werden kann. Dabei ist eine naturnahe Kost für den Hund nicht unbedingt BARF, es gäbe hier auch Versionen, wo gekochtes Futter angeboten wird. Auch ein hoher Fleischanteil ist nicht zwingend naturnah, gerade Herdenschutzhunde und Pariahs haben in ihrer natürlichen Ernährung einen sehr hohen pflanzlichen Anteil.
Eventuell bringt auch eine Ausschlußdiät das zum Vorschein, was diese Erregungszustände auslöst. Die Ausschlußdiät sollte allerdings nur unter Aufsicht eines allergologisch versierten Tierarzt oder Heilpraktiker versucht werden, da Biskit ja körperlich gesund ist. Zusätzliche Mangelzustände aufgrund einer Ausschlußdiät sind alles andere wie hilfreich.
Was man auch abklären könnte, wäre der Zinkstatus, Manganstatus und Magnesiumstatus ... Vitamin D-Mangel ist bei Hunden, welche Industriefutter bekommen, meist weniger das Problem, kann jedoch auch solche unkontrollierbaren Erregungszustände fördern. Könnte also auch mit abgeklärt werden.
Allerdings sind solche Untersuchungen recht teuer ...
3. Traumata
Das Biskit traumatische Erlebnisse in seiner Welpenzeit hatte, läßt sich bei dieser Vorgeschichte nicht von der Hand weisen.
Nun gibt es bei unverarbeiteten traumatischen Erlebnissen das Phänomeen, daß Vergangenheit hochkommt in Form von Flashbacks, Erregungszuständen, Wutanfällen, Panikattacken ... und genau das scheint bei Biskit eine enorme Rolle zu spielen.
Durch diese Flashbacks, Panikattacken, Wutanfällen etc werden wiederum Depressionen ausgelöst, welche das Verhalten wieder runterregeln - der nächste Trigger jedoch, der an die Vergangenheit erinnert, wird wieder das gesamte Angriffs-Flucht-Verhalten auslösen und den Hund von 0 auf 180 hochfahren ... und ist der Hund erstmal auf 180, kann er nicht mehr lernen! Diese extremen Erregungszustände können dann nur ausgesessen werden.
Einhergehend gibts dann immer wieder Situationen, wo der Hund anderweitig nicht mehr ansprechbar ist - extrem lange Schlafenszeiten, depressive Phasen mit glasigem Blick etc. Die Depression hat dabei offenbar den Sinn, den Hund weniger vorsichtig werden zu lassen, so daß er die Chance bekommt, neue Situationen auszuhalten und draus zu lernen. Allerdings ist das Lernverhalten selbst in der Depression stark eingeschränkt als Schutz vor Überlastung des Hirns. Die langen Schlafenszeiten wiederum sind zur kontrollierten Verarbeitung des Erlebten extrem wichtig. Hunde, die durch Traumata nicht mehr durchgängig schlafen können, sind noch deutlich schwieriger dazu zu bewegen, ihre Ängste loszulassen, wie Hunde, die viel schlafen.
Es ist schon schwierig und langwierig, so etwas beim Menschen zu therapieren, beim Hund hat man da noch viel weniger Möglichkeiten, da man nicht mit dem Hund reden kann.
Auch hier kann das Tagebuch helfen, Trigger herauszufinden, die dann erstmal gemieden werden müssen bzw wo in guten Zeiten von Biskit die Trigger ganz langsam angegangen werden können.

Was auch hilfreich ist, das sind sog. Ansagen ...
Sie helfen dem Hund, strukturiertes Denken aufzubauen.
Das heißt, das alles, was du mit dem Hund vorhast, mit einem Codewort belegt wird. Willst du den Hund streicheln, leitest du es ein mit: "Streicheln?" und beobachtest, wie der Hund reagiert - fängt er zunehmend an, nach diesem Wort zurückzuweichen, läßt du das Streicheln trotz Ankündigung sein, kommt er zu dir oder zeigt dir anderweitig, daß er das Streicheln akzeptiert, streichelst du ihn.
Das Gleiche mit Gassigehen - hier hast du ja bei Biskit schon gute Arbeit geleistet, wenn du das Geschirr nimmst und Biskit verschwindet, akzeptierst du, daß er nicht will ... kommt Biskit an und läßt sich das Geschirr umlegen, gehst du mit ihm raus.

Wenn du es einrichten kannst, ist ein stark determinierter Tagesablauf auch sehr hilfreich - also Gassigehen und Füttern nach Uhrzeit, ebenso Spielzeiten etc. Allerdings nur soweit Biskit das überhaupt zuläßt ... wenn er in seine Fütterungszeiten hineinschläft, braucht er den Schlaf. Wenn er partout nicht gassigehen will, dann ist das so ...

Apropos Gassigehen ... was ich noch nicht richtig verstanden habe, Biskit ist nicht stubenrein?

Ansonsten ist es extrem schwer, wenn man den Hund nicht sieht, überhaupt zu irgendetwas zu raten - ohne Kenntnis der Gesamtsituation ist es nahezu unmöglich, auf die praktikablen Ideen zu kommen, wie dem Hund geholfen werden kann - daher mein allgemeines Blabla (und die Hoffnung, wer anderes rät dir, ich bin seit Jahren aus der Hundeerziehung raus und ich hatte noch nie ein Händchen für ängstliche Hunde) ... im Grunde genommen bräuchtest du einen guten Coach, der sich über ein paar Tage das Ganze anschaut. Oft liegen die Lösungen auf der Hand, aber man sieht sie als Halter nicht ... und weil man sie nicht sieht, kann man sie auch nicht in einem Forum beschreiben, weil es einfach zuviel ist, auf das geachtet werden kann ...



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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » So 7. Jun 2020, 15:11

Danke schonmal. Ich habe deine Antwort jetzt zweimal in Ruhe gelesen, lass es wirken und melde mich morgen dazu.

Kurz auch nochmal zum Thema „andere Hunde“: nach seiner enormen Reaktion hatten wir wieder eine Hundebegegnung. Völlig problemlos. Er lief neben meinem Freund, seine Gemütslage hat sich zu vorher und nachher nicht verändert (etwas beunruhigt, aber „anwesend“, also er war ansprechbar, konnte schnuppern und sogar markieren und er hat von sich aus die Nähe und Führung schon gesucht/angenommen)
Das meine ich mit dem komplett unterschiedlichen Verhalten - ich denke, allein dafür ist ein Tagebuch schon nötig. Aber wie gesagt, der Rest morgen.


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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » Mo 8. Jun 2020, 10:51

So, jetzt habe ich das alles mal sacken lassen, mir Gedanken gemacht und gegoogelt. Danke nochmal für diese ausführliche Antwort!

Ein sicher eingezäuntes Gebiet, in das wir hin und wieder können, haben wir. Allerdings kenne ich nur einen Hund, der so souverän ist, dass er öfter, als einmal für so einen Freilauf zur Verfügung stehen würde - die anderen beiden könnte ich vermutlich maximal einmal fragen. Das Problem ist dann aber noch, dass ich keine taggleichen Treffen organisieren kann - selbst am nächsten Tag wird schwierig. Die Probleme in der Hundebegegnung sind aber nur kurzphasig - maximal einen Tag und dann ist es wieder völlig problemlos.
Wir haben auch nochmal über dieses Leinenpöbeln geredet - mein Freund, meine Mutter und ich. Was wir schonmal festlegen konnten, war folgendes: Wirklich problematisch ist es dann, wenn er eingeengt und an kurzer Leine ist - also keine Möglichkeit zum großräumigen Ausweichen hat. Wenn zusätzlich die Aufmerksamkeit nicht bei ihm und der Situation liegt (etwa, weil derjenige der draußen ist oder wir beide nicht konzentriert/müde sind oder uns unterhalten) oder die Stimmung gedrückt ist, verstärkt das die Reaktion.

Auf die von dir genannten Faktoren, geh ich jetzt einfach der Reihe nach ein.
1. Frühkastration. Die Wirkung von Kastration hab ich mir jetzt mal wieder bewusst zu Gemüte geführt - dass besonders eine frühe Kastration Einfluss auf Gesundheit und auch einen auf die Psyche haben kann (oder oft hat), war mir klar... das Ausmaß hab ich aber scheinbar erfolgreich verdrängt... Besonders der Punkt mit den Gefühlsschwankungen hat mich wieder überrascht :arg:
Du hast das Tagebuch ja sogar mehrmals angesprochen - wahrscheinlich ist das die einzige Möglichkeit, wie wir mal einen Überblick bekommen. Dann muss ich das wohl diesmal durchziehen. Ich habe es zu Anfang mal gemacht, aber zu unregelmäßig geführt.
2. Futter. Finde ich irgendwo etwas zu bewusstseinsverändernden Substanzen? Also welche das wären und ob/wie die gekennzeichnet werden? An Futter bekommt er meistens etwa die halbe Tagesration an vegetarischem bis veganem Trockenfutter - meist mit Milch, wenn es bei uns Suppe gab, dann damit. Die restliche Tagesration besteht aus unseren Resten (da ich hauptsächlich pflanzlich esse (frisch zubereitet, Getreide, Hülsenfrüchte und diverses Gemüse), mein Freund dafür Unmengen Fleisch, Käse und Wurst, dürfte das, was im Hundenapf landet zu etwa 90% Pflanzlich sein), handelsüblichen Leckerlis mit möglichst wenig Zusatzstoffen und dadurch meist hohem Fleisch/Innereiengehalt (Alternativ Wurststückchen) und einer Kaustange. Wenn er mal fast nur Reste bekommt (also quasi kein Trockenfutter), gebe ich ihm ein Nahrungsergänzungsmittel für selbstgekochte Vegane Rationen darüber, da der Anteil an pflanzlicher Nahrung ja weit überwiegt.
Ein großes Blutbild habe ich im März anfertigen lassen (die TA hat es als „wunderbar, alles im Normbereich oder darüber, bei Werten die darüber sein dürfen“ eingeordnet) - Zink, Magnesium, Mangan und VitD habe ich darauf gerade nicht gefunden. Ich denke, die würden mit ihrem chemischen Zeichen drauf stehen, bzw als VitD? Nach den Kosten fragen kann ich ja auf alle Fälle mal und dann immer noch entscheiden...
2a) was mir gerade aufgefallen ist, ist dass der TT4 -Wert am unteren Grenzbereich liegt. Heute erst wieder bin ich darauf gestoßen, dass windhund-Rassen (wobei er ja keiner Rasse angehört...) häufig eine Unterfunktion der Schilddrüse haben - ich denke, das sollte ich im Blick behalten und regelmäßig auswerten lassen?
2b) Zu Pariahunden habe ich gestern und heute viel gegoogelt - ich war der Meinung, dass das einfach ein anderer Begriff für Straßenhunde ist :schäm: aber scheinbar sind Straßenhunde verwilderte/ausgesetzte Haushunde und Pariahunde seit Jahrhunderten wildlebende Hunde - vereinfacht gesagt. Habe ich das so richtig aufgefasst? Der beschriebene Phänotyp vom südlichen Paria (zumindest das bisschen, was ich gefunden habe), passt schon gut zu Biskit. Daher ist seine mäßig gute Reaktion auf tierisches vermutlich tatsächlich einfach in seiner Herkunft zu finden?
3. Traumata. Sind nicht von der Hand zu weisen. Ja.
Wenn ich dich richtig verstanden habe, kann ich froh sein, dass er viel schläft? Und Phasen, in denen massive Erregung und depressive Zustände sich abwechseln, sind „normal“ (also für die Verarbeitung bei vorhandenen Traumata) und sollte ich sich einfach selbst auspendeln lassen? In der Zeit dann selbstverständlich die Spaziergänge möglichst reizarm gestalten und sicherstellen, dass er zu Hause die nötige Ruhe erhält? Tagebuch werde ich führen... die größten Trigger kenne ich zum Glück ja schon, kann sie im Alltag aber leider nur bedingt umgehen.
Ich habe einen Duft zur „konditionierten Entspannung“... ich habe aber nicht das Gefühl, dass der enorm viel bringt. Also, beim Autofahren (war anfangs stressig) und in fremder Umgebung (zB beim Einzug bei meinem Freund) fand ich schon, dass er ihn entspannt hat. Draußen auf seinem Halstuch habe ich aber nicht das Gefühl, dass es was bringt. Ein befreundeter Hundebesitzer hat jetzt den Vorschlag mit einer Entspannungsdecke gemacht - die kann ich aber ja auch nur stationär einsetzen. Vielleicht steh ich ja auf dem Schlauch - es muss doch irgendeine praktikable Lösung auch in Bewegung gehen? Ein Wort (war bei uns Down) hat sich schneller abgenutzt, als ich es immer wieder neu aufladen konnte...

Wahrscheinlich kam es oben anders rüber - sein Unwohlsein, sein „nein“ akzeptieren wir, wann immer möglich. Zusätzlich mehr Ansagen einbauen, wäre aber wirklich eine Idee! Dann wird der Alltag für ihn ja hoffentlich eindeutiger und berechenbarer, sowie steuerbarer. Im „medical Training“ arbeite ich ja auch mit Ansagen - explizit hierbei aber auch viel mit aushalten. Also ich mache das nur im entspannten, gut gelaunten Zustand von uns beiden und gehe möglichst nicht bis an seine Grenze (er kommt nie ins Knurren, Lefzen hochziehen ist äußerst selten), übe nur, dass er in diesem Kontext auch mal länger aushalten muss, als sein erstes oder zweites Abwenden. Aber im Alltag kann ich wirklich noch deutlich öfter mit Ansagen arbeiten - gerade da kann er ja viel mitbestimmen.

Einen zeitlich einigermaßen festen Rahmen hatte ich letztes Jahr im August und nochmal im Oktober einführen wollen. Das hat gar nicht geklappt - zum Gassi hat er sich eher noch mehr verweigert, wurde schon unruhig, also beunruhigt, wenn es auf die Gassigeh-Zeit zuging. Futterzeiten lassen sich auch nicht einrichten - er frisst an keinem Tag zu ähnlichen Zeiten, wie am nächsten. Auch wenn das Futter nur zur Fütterung hingestellt wird und eine halbe Stunde später weg kommt, frisst er nach 2 Wochen nicht sicher zur Fütterung - er schlingt dann aber dafür, wenn er das nächste mal bekommt, versucht zwischendurch ständig zu klauen, frisst draußen sämtlichen Kack... deshalb habe ich die zeitliche Vorgaben aufgegeben... mein eigener Tagesablauf ähnelt sich aber täglich in der Struktur.

Doch, Biskit ist stubenrein. Er hat nicht einmal in die Wohnung gemacht, außer „stress-Freude-Pinkler“ bei den ersten Malen, wenn eines der Familienmitglieder länger weg war.
Er hält halt einfach über Nacht locker 12 Stunden ein und tagsüber auch regelmäßig 8... also wenn wir ihn nicht zwischendurch mal aufscheuchen.
Und wenn er denn mal muss, ist das auch eher ein Raten von uns - weil er mal wach geworden ist oder weil die Dauer einfach schon so lange ist - und ein Abklären über das Geschirr.

Dass es so ohne den Hund zu sehen nicht möglich ist, differenzierte Vorschläge zu machen und man als Halter gerne ein Brett vor den Augen hat, ist mir bewusst. Ein Austausch mit Ideen oder auch nur allgemeinen Vorgängen ist meiner Meinung nach dennoch sehr wertvoll - und sei es nur, um sich mal in bestimmte Richtungen (wieder/neu/tiefer) zu informieren.
Ich hätte sehr sehr gerne einen Coach vor Ort - bei uns finde ich nur leider keinen. Der Trainer mit dem ich gearbeitet habe, war quasi schon ein Glücksgriff. Alle anderen, die ich finde, machen eher „Grundgehorsam“, klassische Stunden, Hundesport u.ä. Und manche bieten, gefühlt „so nebenher“, noch Verhaltenstraining an, was mir aber einfach nicht so differenziert erscheint. Ich habe schon vielversprechende gefunden, die Onlinecoaching anbieten, also mit Video. Allerdings ist der Hund, wenn eine zweite Person dabei ist, anders als wenn man alleine ist und damit Hund und Hundeführer drauf sind, muss die zweite Person in etwas Abstand laufen, was eine Situation ist, die er sehr seltsam findet und alleine müsste ich mich aufs filmen konzentrieren (hab dann aber ja nur den Hund drauf - meine Körpersprache fehlt dann ja komplett) und hab wieder eine andere Situation, als wenn ich mich normal auf ihn konzentrieren kann - dass vieles scheiße läuft, wenn ich nicht bei der Sache bin, weiß ich ja, dafür brauche ich keinen Coach. Selbst wenn eine dem Hund unbekannte zweite Person dabei ist, verhält er sich anders, sobald ihm klar wird, dass die zu uns gehört - wenn eine fremde Person ständig in unserer Nähe ist oder uns „verfolgt“ ist er aber gleich wieder völlig verunsichert. Ich bin mir also nicht sicher, wie aussagekräftig die Videos wären.
Intensiv-Coachings wären natürlich super, sind aber aufgrund der familiären Situation frühestens im Sommer nächstes Jahr möglich... gibt es noch eine Möglichkeit?


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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Kim » Di 9. Jun 2020, 15:54

Hi =)

Eine Alternative zu frischen Knochen wären ggbf. getrocknete Produkte mit Fell dran. Da musst du zwar im Hinblick aufs Protein immer noch aufpassen, meiner Erfahrung nach hilft das Fell aber wirklich gut hinsichtlich der Fellpflege. Zum Beispiel Rinder- oder Kaninchenohren mit Fell.

Bezüglich der Leine am Sicherheitsgeschirr: Eine Freundin von mir hatte ein ähnliches Problem mit dem Verrutschen bei ihrer Hündin. Gerade weil bei den windhundartigen Typen oft die Geschirre am Brustkorb nicht so ideal sitzen, weil dieser so spitz zuläuft. Es gibt Hersteller, die maßgeschneiderte Geschirre anbieten. Sie hat sich damals für die Schleppleine eins nähen lassen, wo sie einen Ring vorn an der Brust recht weit unten hat. So kann sie die Leine so befestigen, dass diese zwischen den Vorderbeinen des Hundes gerade nach hinten durchläuft. Es kommt seitdem sie diese nutzt seltener zu verhedderten Leinen oder einen ungleichmäßigen, einseitigen Belastung des Hundes durch das Leinengewicht.
Eventuell wäre das eine Alternative und du könntest dich da mal umschauen. Hersteller wie Beridge, LottasFleecebandfabrik, etc. stellen soetwas sicherlich gern her und sind qualitativ wirklich zu empfehlen.

Was passiert wenn du bei Weggabelungen wo er in die andere Richtung möchte als du, nochmal den Weg zurück gehst den ihr gekommen seid und dann dran langjoggst? Eventuell hilft ihm das zurückgehen aus der für ihn schwierigen Situation erstmal auch gedanklich nochmal rauszukommen.

Das er lieber nachts rausgeht als tagsüber wird am weniger vorhandenen Betrieb draußen liegen. Du hast ja selbst schon festgestellt, dass er schnell reizüberflutet und überfordert ist.

Bezüglich des Meldens wenn er raus muss: Das macht hier keiner meienr Hunde, wenn es nicht so dringend ist, dass es sonst reingehen würde. Da er bisher nicht reingemacht hat, würde ich an deiner Stelle schlicht davon ausgehen, dass er sehr lang dazu in der Lage ist einzuhalten, ohne das er wirklich "muss".



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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » Mi 10. Jun 2020, 17:50

Danke für deine Antwort, Kim!

Bringen solche getrockneten Produkte denn etwas für die Zahngesundheit? Das wäre das wichtigste... Oder sind sie damit wenigstens länger beschäftigt - dann wäre es auch noch sinnvoll. Ein bisschen was zu knabbern, was auch auf die Zähne keinen wirklichen Einfluss hat, möchte ich ungern tierisch haben - eben weil es dann schnell zu viel wird :/

Die Idee mit dem Geschirr, an das die Leine vorne kommt und dann zwischen den Beinen läuft, find ich interessant! Wie sieht es denn aus, wenn der Hund da mal reindonnert? Das kann ich noch nicht 100% verhindern - v.a. Wenn er Angst bekommt. Und in meinem Kopf macht der Hund dann einen Überschlag - vielleicht hab ich da aber auch einen Denkfehler, Physik war noch nie meins :schäm: Oh und tritt ihre Hündin oft auf die Leine? Meiner tritt besonders, wenn er neben/hinter mir läuft und die Leine so eine Schlaufe macht, häufig drauf. Passiert das mit einer durch die Beine laufenden Leine nicht auch sehr schnell?
Danke auch für die Shopempfehlungen!

Das zurück-und-dann-nochmal-und-zügig-vor hab ich noch nicht versucht. Werd ich mal ausprobieren!

Aber so lange ist doch nicht gesund für die Blase... ich kann mir das gar nicht vorstellen, dass man so viele Stunden nicht muss :schäm: aber schonmal schön, dass er nicht der einzige Hund ist, der sich nicht meldet! Das beruhigt mich zumindest etwas...


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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Kim » Mi 10. Jun 2020, 19:27

Ja, wegen der Zahngesundheit hatte ich das empfohlen.
Ich geb besonders die Produkte mit Fell oft zur Zahnsteinentfernung, wenn sich da kleine Zahnsteinmengen bilden.

Das mit dem Reinkrachen in die Leine kann ich ehrlich gesagt nicht beantworten. Das macht die Hündin mit dem Geschirr nicht, aber ja vermutlich hasz du da Recht.
Drauftreten tut die Hündin nicht. Die Leine geht durch die Position vorn am Brustkorb viel besser mit den Bewegungen der Hündin mit und bleibt konstant zwischen den Beinen der Hündin, ohne dass sie drauftritt.


Ich bin gespannt ob zurückgehen und wieder hin etwas bringt =)
Berichte gern mal.



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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » Di 7. Jul 2020, 12:07

So, ich habe jetzt den letzten Monat wieder intensiver gestaltet... besser kann ich es nicht ausdrücken. Und Veränderungen gesehen.

Das Futter habe ich noch nicht groß geändert, aber überlegter gemacht. Er bekommt täglich (wechselnde, bzw gemischte) vegane Trockenfutter mit Milch oder Hafermilch (je nach restlicher Tiermenge), 2 Esslöffel Futterdose (Huhn oder Rind - Huhn ist Yarrah Katzenfutter, das ist fast ausschließlich Fleisch und „Schlachtabfälle“ (die Katze frisst es nicht...), Rind war mit Amaranth - den Hersteller hab ich nicht mehr parat, war aber ein Biofutter mit kurzer Zutatenliste), Nudeln/Reis/Brot und Gemüse, 1 Whimzees Kaustängchen oder seit 2 Wochen einmal wöchentlich ein Stück Rinderhaut mit Fell. Zusätzlich gibt es fast täglich ein paar ungesalzene Erdnüsse, etwas Wiener oder vegetarische Wiener oder Lamm- oder Gemüseleckerchen im Training zu Hause. Außerdem frisst er fast täglich Gras - es scheint also definitiv nicht zu passen. Er ist auch ein sehr schlechter Fresser. Gerade an oder nach Tagen, an denen viel war, frisst er fast gar nichts, dafür dann am nächsten Tag zu schnell und er würde auch deutlich zu viel auf einmal fressen. Dieses schlechte Fressen tritt teilweise aber auch an Und nach objektiv ruhigen Tagen auf. Ich überlege gerade, wie ich das Futter veränder, dass es trotzdem in unserem aktuellen Alltag praktikabel bleibt.

Unser Alltag sieht aktuell so aus, dass wir früh gemütlich in den Tag starten. Er frisst oft (wenn er frisst), wenn mein Freund frühstückt - zwischen 6 und halb 8 - und legt sich dann wieder auf die Couch.
Dort bleibt er dann fast immer liegen, bis ich ihm zu verstehen gebe, dass wir zu meinem Elternhaus fahren - das ist meist zwischen 10 und 14 Uhr. Die vorherigen Abfragen, raus zu gehen, bleiben ohne Reaktion; wenn ich erst spät fahre, entscheide ich aber, dass wir definitiv zumindest einmal kurz pinkeln raus gehen.
Bei meinem Elternhaus angekommen gehen wir je nach Verkehr, Laune und Wetter kurz (10-15 min) ins Feld, dann reicht es ihm schon wieder, oder 10 bis 20 min in den Garten. Danach liegt er im Haus entweder auf seinem Kissen oder auf dem Boden vor der Gartentür. An beiden Plätzen wechselt er zwischen Schlaf und entspannter Aufmerksamkeit, zwischendurch kommt mal eine kurze Erregung, wenn die Katzen sich schnell bewegen.
Nachmittags und abends, bevor wir wieder heim fahren (so ca zwischen 19 und 21 Uhr) geht es dann auch nochmal ins Feld oder in den Garten. Beide Male lässt ist er meistens nach der ersten Abfrage dabei.
Nachts zwischen 23 und 24 Uhr geht mein Freund oder wir beide nochmal eine kurze Runde im Ort. Die ist immer sehr gut.
Wenn ich einen Termin habe oder aus welchem Grund auch immer nicht früh mit Biskit zu meinem Elternhaus kann, gehe ich zwei verschiedene Runden im Ort - je nachdem, was so los ist. Wenn mein Freund abends eher nach Hause kommt, bin ich mit Biskit meist gegen 18 Uhr zu Hause und wir gehen zusammen mit meinem Freund eine ca 30 bis 45 min Runde.
„Nach Hause“, zu meinem Elternhaus, sonstiges Gassi und mitkommen im Alltag (zB zu Familie außerhalb meines Elternhauses oder Freunden) haben verschiedene Ansagen - ohne (positive) Reaktion bleibt eigentlich nur die für sonstiges Gassi und das auch fast nur zu Hause (bei meinem Elternhaus, Stadtrand statt Ortsmitte, reagiert er darauf oft mit Aufstehen und Mitgehen).
In 4 von 5 Fällen kann ich sein Nein zum Rausgehen akzeptieren.

Insgesamt kommt er besser runter, seit die Spaziergänge tagsüber im Ort auf ein absolutes Minimum (vielleicht 5 mal die Woche) runtergefahren sind und diese zum großen Teil mein Freund und ich zusammen machen. Auch dass die anderen Spaziergänge kurz und auf der gleichen Strecke im Feld stattfinden, hat eine Verbesserung gebracht. Ich musste also tatsächlich noch mal an den Anfang zurück - eine Strecke pro Ort (bzw. zu Hause eine Ausweichstrecke) für den Alltag, eine etwas längere Strecke für gute Tage/Wochenende wenn wir zu zweit sind und Zeit haben und vielleicht einmal die Woche eine längere Runde.
Im letzten Monat hatte ich Biskit fast überall dabei - das war bei dreimal bei Tante/Onkel, dreimal bei Freunden und einmal bei anderen Freunden (wo er jeweils schon öfter war) und einmal bei einer Freundin, bei der er noch nie war. Jedesmal habe ich ihm zu Beginn gezeigt, wo er sich hinlegen kann und ihn auch mehrfach dorthin begrenzt, bis seine Erregung mal etwas runter gefahren ist. Und von mal zu mal konnte er schneller herunterfahren - zwar nicht komplett, aber so, dass ich kein schlechtes Gewissen hatte, ihn mit zu nehmen. (In der Dachwohnung bei uns konnte ich ihn nicht lassen... va nicht alleine)

Dafür habe ich insgesamt einen sehr... ruhigen Hund. Die Begrüßung von meinem Freund, meiner Schwester und meiner Mama fällt sehr freudig und auch aktiv aus (bei mir freudig, aber entspannt - ich bin auch maximal 2h von ihm getrennt :D ), wenn wir zu zweit raus gehen und er nen guten Tag hat, ist er aktiv und tollt auch manchmal kurz rum oder rennt ein Stück mit meinem Freund, wenn die Katzen spielen oder rennen, will er mitmachen und wenn irgendwo draußen ein Tier raschelt und rennt, wird sein Jagdtrieb geweckt. Ansonsten ist er äußerst ruhig - fast schon wie eine Dekofigur...

Letztes Wochenende ist es mir leider passiert, dass er deutlich über das erträglich Maß an Erregung gekommen ist. Wir waren bei meiner Familie zum Lagerfeuer und hatten ihn dabei, da er sonst den ganzen Abend allein gewesen wäre. Er war tagsüber schon etwas schläfrig (wobei ich eigentlich nicht das Gefühl hatte, dass er die Tage zuvor zu viel hatte...) und abends kamen dann ein paar aus der Verwandtschaft, die er zwar schon öfter gesehen hat, aber meistens Abstand hält. Allerdings „Einzeln und alleine aufs Grundstück“, also insgesamt kam 5 mal jemand an und das ohne Vorwarnung durch Klingeln und ohne, dass diejenigen von einem Familienmitglied „begleitet“ wurden. Das war ihm so gruselig, dass er von mal zu mal stärker reagiert hat. Dann war es sein erstes Lagerfeuer - er hat etwa 1 Stunde gebraucht, sich daran zu gewöhnen. Ich hab ihm dann einen Schinkenknochen gegeben, den Mama mal gekauft hatte - blöderweise hat der dann trotz der späten Stunde Wespen angelockt. Und als ich ne Wespe verscheuchen wollte, während Biskit wieder relativ entspannt zu mir Geschaut hat, ist er total „abgegangen“. So eine Drohung und dann auch noch aus dem Nichts, kenne ich nicht von ihm. Also sehr ernst gemeintes Knurren, in dem sich seine Stimme sogar überschlagen hat, Zähnefletschen, einzelne deutliche Beller dazwischen, eindeutige Mimik (die sagte, dass er nicht scherzt) und im Verlauf je ein Droh-Schnapper in Richtung meines Freundes und mir. Alles aber im Liegen. Wir sind beide nicht zurückgewichen, aber auch nicht auf ihn zu, standen eben „direkt“ vor ihm, hätten ihn beide entspannt berühren können. Haben ihn beide weiter angeschaut und auch standgehalten, wenn er einem von uns direkt in die Augen geschaut hat, was nicht oft vorkam, vielleicht 3 mal - den Blick hat er auch schnell wieder abgewendet und in dem Zug auch den Kopf. Auf die Schnapper kam von dem jeweils angeschnappten ein intuitives „hey!“, aber sonst keine Reaktion. Im Endeffekt haben wir einfach nur ausgesessen und ihn runter kommen lassen und definitiv nicht versucht, den Knochen doch noch zu nehmen (was ja nie Absicht war). Wir wollten einfach nur, dass er begreift, dass er nichts gegen uns verteidigen muss. Nach 3 Minuten war der Spuk vorbei, er lag wieder entspannt, hat an seinem Knochen genagt und auch normal zu mir geschaut, auf Ansprache reagiert. Kurz darauf hat er dann doch noch in eine Wespe gebissen - daraufhin kam er dann sofort zu mir, hat „geweint“, sich an mich gedrückt und seine Schnauze bei mir versteckt. Ich konnte ihn problemlos untersuchen und hab den Knochen natürlich direkt weg, nicht dass noch mehr Wespen kommen.
Ich geh stark davon aus, dass erstens einfach zu viel zusammen kam, er somit einfach seine Reaktion fast nicht mehr steuern konnte und Dieser Knochen für ihn in dem Moment eine sehr wichtige Ressource war. Und zweitens gehe ich davon aus, dass er bei anderen, außer meinem Freund und mir, sich nicht so fahren lassen hätte. Das kann ich gar nicht richtig beschreiben, wie ich das meine. Aber mit etwa einem Meter hinter ihm saßen andere, die sich dann auch umgedreht haben und sich einen KOmmentar nicht verkneifen konnten - da hat er aber nicht einmal ein Ohr hingedreht. Ich glaube einfach, dass es für ihn klar war, dass er in unserer Gruppe (ich weigere mich, „Rudel“ im zwischenartlichen Zusammenschluss zu verwenden) keiner Gefahr ausgesetzt ist, „Nein“ sagen darf und trotzdem unseren Zusammenhalt nicht verliert. Genauso war ich mir zu jedem Moment absolut sicher, dass er nicht beißen wird, solange ich nicht tiefer in seinen Bereich eindringe. Ist es verständlich, was ich meine? Das ist total schwierig, dieses Gefühl, dass dabei und währenddessen bei mir ankam, zu beschreiben.
Jetzt habe ich eben angefangen, in entspannten Momenten und erstmal mit Dingen, die eh mit ihm geteilt werden und ihm nicht alleine zugeteilt werden (zB Erdnüsse...) zu üben: Ich lege ein paar hin, spätestens wenn er die erste nimmt, nehme ich eine entspannt weg, halte sie kurz und gebe sie ihm dann wieder. Natürlich ist das was ganz anderes, als ein Schinkenknochen, den er sonst nie bekommt, an einem Abend, an dem er eh schon viel zu verarbeiten hat. Aber ich denke, alles ist besser, als nichts tun und ich möchte einfach in seinem Hinterkopf verankern, dass es kein Problem ist, wenn ich ihm etwas wegnehme, weil es eh wieder kommt. Macht das Sinn?

Das war jetzt wieder ziemlich viel...


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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Murx Pickwick » Di 7. Jul 2020, 16:36

Ich hab ihm dann einen Schinkenknochen gegeben, den Mama mal gekauft hatte - blöderweise hat der dann trotz der späten Stunde Wespen angelockt. Und als ich ne Wespe verscheuchen wollte, während Biskit wieder relativ entspannt zu mir Geschaut hat, ist er total „abgegangen“. So eine Drohung und dann auch noch aus dem Nichts, kenne ich nicht von ihm. Also sehr ernst gemeintes Knurren, in dem sich seine Stimme sogar überschlagen hat, Zähnefletschen, einzelne deutliche Beller dazwischen, eindeutige Mimik (die sagte, dass er nicht scherzt) und im Verlauf je ein Droh-Schnapper in Richtung meines Freundes und mir. Alles aber im Liegen.
Du drohst Biskit und wunderst dich, weshalb er dich in deine Schranken verweist?
Für einen Hund ist es absolut unverständlich, wenn ein Mensch ihm Wespen von seinem Futter wegwedelt. Für den Hund kommt es in so einer Situation so rüber:
Erst überläßt du ihm den Knochen, dann versuchst du ihn, zu vergrämen - sry, entweder du überläßt ihm den Knochen, oder nicht - aber niemals inkonsequentes Hin und Her. Das kann kein Hund verstehen ... auch nicht, wenn du ihm eigentlich den Knochen nicht wegnehmen wolltest, sondern nur Wespen verscheuchen wolltest.
So denkt nunmal kein Hund, ist ja kein Mensch.
Sicher, ein gut ausgebildeter, souveräner Hund denkt sich nur seinen Teil, da bekommt Mensch gar nicht mit, wie sehr Hund sich innerlich ärgert über seine Menschen - aber bei einem Hund, der eh nix Gutes im Leben erwartet aufgrund seiner Vergangenheit, wirst du mit einer eindeutigen Reaktion rechnen müssen.
Und die hast du nun beobachten können ...
Im Grunde genommen hättest du ihn dafür sogar beruhigend, ruhig und kurz loben müssen ("So ist gut - war mein Fehler, tschuldigung" - das bringt dann etwa einen geeigneten Tonfall fürs Lob). Auch wichtig - nach der Anerkennung, daß nicht er den Fehler, sondern du den Fehler gemacht hast, kommt das normale Tagesgeschäft weiter. Kein Brimbimborium drumrum - es ist eine ganz normale Situation, die ganz normal beantwortet wurde von euch allen.
Hund beobachten ist ganz nett, ihn anschauen ist - äh, unhöflich! Macht hund nicht ... und es ist alleine die Intelligenz und das Wohlwollen des Hundes, anzuerkennen, daß mensch einfach nur dämlich ist und deshalb so unhöflich reagiert.
Blickspiele könnt ihr in entspannter Umgebung machen, wenn keine Ressourcen da sind, die hund vor euch verteidigen muß - aber niemals nach einem solchen Mißverständnis.

Entscheidend für diese Situation sind übrigens zwei Beobachtungen deinerseits:
1. Biskit blieb liegen ... er wollte euch nur unmißverständlich sagen: Ihr habt mir den Knochen gegeben, das ist jetzt MEIN Knochen. Wieso wollt ihr mir den nicht lassen?
Das war weder unkontrollierbare Angst, noch unkontrollierte Aggression.
Das war eine ganz normale hündische Kommunikation, wie sie auch zwischen zwei Hunden stattgefunden hätte ...
2. Biskit hat sich nicht um die hinter ihm sich aufhaltenden Menschen gekümmert - ein sicheres Zeichen, daß er nicht in Panikstimmung ist.

Die Situation wird sich nur dann bessern, wenn ihr anerkennt, wo der Fehler wirklich liegt: Beim Menschen!
Heißt also - beruhigendes, kurzes Lob, am besten mit den Worten einer Entschuldigung, da eine von uns Menschen ausgesprochene Entschuldigung den korrekten Tonfall bei uns auslöst, den du in dieser Situation brauchst (eine Entschuldigung im Sinne von uns Menschen verstehen Hunde nicht - den Tonfall dagegen schon).
Mit der Zeit wird Biskit so lernen, daß Menschen nunmal nicht vollkommen sind, aber durchaus akzeptieren, wenn Biskit für sich einsteht. Damit braucht er mit der Zeit auch nicht mehr überdeutlich sprechen, sondern ein kurzes Andeuten (Kurz Luft holen, gleichzeitig Schnappen mit Zähneklacken, kurzes Zurückziehen der Lefzen) wird reichen - vorrausgesetzt, ihr seht euren Fehler in solchen Situationen ein und teilt es dem Hund so auch mit ...

Wenn du in einer solchen Situation Wespen wegwedeln willst, wirst du eine spezielle Ansage brauchen, die Gefahrenansage. Die kommt immer dann, wenn Gefahr in Verzug ist (ein Hund, den ihr nicht mögt, kommt euch entgegen, gruslige Situationen etc) ... diese Gefahren-Ansage wird dann kombiniert mit der Darf-Ich?-Ansage.
Hier muß dann sehr genau geschaut werden, ob Hund es nun zuläßt, Wespen vom Knochen wegzuwedeln, oder ob er das nicht akzeptiert - es ist SEINE Entscheidung, nicht deine! Das ist wichtig ...
Fast immer wird der Hund bei genügend Vertrauen dich die Wespen wegwedeln lassen - aber mit Argusaugen den Knochen im Blick haben!
Den Knochen Berühren wäre selbst mit Ansage eindeutig ein Vertrauensbruch, der ebenso geahndet wird, wie du es am Lagerfeuer erlebt hast.

So, wie ich das jetzt verstanden habe, wie es sich abgespielt hat, seh ich deshalb auch keinen Sinn darin, Futterverweigerung oder ähnliches zu trainieren ... klar, man kann Hunde bis zur Selbstaufgabe drillen, aber ist das wirklich erwünscht?
Oder wäre es nicht vielmehr wünschenswert, wenn der Hund das Gefühl bekommt, er darf auch mal was sagen, wenn ihm was nicht paßt?



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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » Do 9. Jul 2020, 10:32

Danke für deine deutliche Ansage!

Tatsächlich habe ich, seit ich die Situation beschrieben habe, noch viel darüber nachgedacht, sie oft in Gedanken durchgespielt. Auch mit dem Hintergrund, dass mein komplettes Handling mit Biskit darauf abziehlt, dass er immer mit mir kommuniziert, „Nein“ sagen darf und lernt, dass sein Nein, seine Wünsche Bedeutung haben. Nur ebenauch, dass es vereinzelt Situationen gibt, in denen ich sein Nein nicht akzeptieren kann - eineWespe am Knochen ist aber definitiv kein Grund.
Dass ein „Futterwegnehmtraining“ völliger Schwachsinn in unserer Lage ist, ist mir dadurch schon am Dienstag aufgefallen. Also sofort wieder aufgehört. Ich glaube, dieser Impuls kam aus dem „der Hund muss sich alles gefallen lassen“-Denken, das in meinem Umfeld und dadurch in mir leider lange vorherrschte und sich erst seit wenigen Jahren ändert. Erschreckend, dass es auch bei mir offenbar noch tiefer verankert ist, als ich dachte.

Ich denke, die meisten unserer Fehler habe ich erkannt, dadurch, dass ich mich mit dem Geschreibe nochmal aktiv rein versetzen musste. Deine deutlichen Worte sind für mich jedenfalls nicht erstaunlich oder unerwartet.
Eigentlich wollte ich eben dazu gerade mein neues Empfinden der Situation schildern, das hast du für mich übernommen - wahrscheinlich klarer, als ich es gekonnt hätte.

Also um deine Fragen zu beantworten:
Nein, mittlerweile wundere ich mich nicht mehr über Biskits Reaktion und habe meine auslösende Bedrohung erkannt.
Ich ärgere mich auch über meinen Umgang mit der Situation - zugegeben war das von Anfang bis Ende kein überlegtes Verhalten von mir, was wohl mein größter Fehler war: Hirn nicht einschalten.
Selbstverständlich ist mein Ziel kein Hund, der sich aufgegeben hat!
Mir ist sogar unglaublich wichtig, dass er sagt, wenn ihm etwas nicht passt. Zum einen, weil ich das als Recht eines jeden Lebewesens ansehe, zum anderen, weil ich denke, dass ein ängstlicher, unsicherer Hund, der nicht mehr kommuniziert, gefährlich werden kann - v.a. mit Kind im Umfeld.

Nach der Kopfarbeit zu der Situation ist meine neue Vorgehensweise, weiter mit Ansagen zu arbeiten und mehr davon aufzubauen.
Und zusätzlich zum einen genauer auf meine Kommunikation zu achten und zum anderen darauf zu achten, dass ich bewusst handle.


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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Murx Pickwick » Do 9. Jul 2020, 13:33

Wenn du versuchst, bewußt zu kommunizieren, wirst du immer mind. 5sec zu spät antworten ... und das ist sehr schwer, für einen Hund zu verstehen (und bei Menschen macht eine solch verzögerte Kommunikationsreaktion merkwürdige und böse Gefühle beim Gegenüber). Das ist also ein Holzweg ...

Das bewußte Denken ist eigentlich auch nicht dafür da, in Echtzeit Verhalten oder Kommunikation zu überprüfen, sondern es ist dazu da, im Notfall abbrechen zu können oder aber eine Situation, die schon gelaufen ist, nachzubearbeiten, um daraus zu lernen. Und das hast du getan - in sehr guter und reflektierter Manier, wie ich meine.
Wenn Situationen auftreten, die nicht so ideal gelaufen sind, dann ist es notwendig, die Situation nochmal durchzuspielen und zu versuchen, die beste Lösung zu finden ... dadurch lernst du, dein Verhalten zu ändern und beim nächsten Mal besser zu reagieren.
Was auch möglich ist, wenn du schon weißt, wie eine Situation in Zukunft aussehen wird, daß du dir diese Situation im Vorfeld immer wieder durchspielst, um zur bestmöglichen Reaktion zu kommen. Hast du in Gedanken diese Reaktion oft genug durchgespielt, so daß diese in Gedanken als erste kommt - einfach vergessen, tritt die Situation in Wirklichkeit auf, wirst du genau so reagieren, wie du dir das vorher ständig vorgestellt hast.

Es gibt allerdings etwas, was dem Ganzen im Wege steht - das ist das "Körperdenken". Je stärkeren Drill du in deiner Kindheit oder Jugend erfahren hast, je stärker die Verletzungen in Kindheit und Jugend waren, desto konservativer wird dieses "Körperdenken" und desto schwerer wird es, es abzuändern.
Ich hab beispielsweise eine - sagen wir mal nicht ganz ideale - Kindheit gehabt. Dann kam die Hundeausbildung, die ich auf nem Hundeplatz gelernt hab, wo Drill und Brachialgewalt in der Hundeausbildung bis zum bitteren Ende gelebt und gelehrt wurden. Da war es durchaus üblich, wenn ein normaler Leinenruck keine Wirkung mehr zeigte, das Halsband mit nem Stachelhalsband auszutauschen, und zeigte das dann auch keine Wirkung mehr, kurzerhand die Stacheln spitzzufeilen ... statt mal zu überlegen, wie einem Hund auch anderweitig etwas beigebracht werden könnte.
Es ist auch heute noch so, gib mir eine Hundeleine in die Hand und sobald eine bestimmte Spannung auf der Leine liegt, geb ich kurz nach und gib nen ordentlichen Ruck, noch bevor ich das per bewußtes Denken stoppen kann - hängt am anderen Ende ein genügend leichter Hund dran, fliegt der gleich meterweit ... ich bekomm das leider nicht mehr raus, ich brauch da nen Workaround, also ein Leinenteilstück, welches federt. So hab ich zwar keine Einwirkung über die Leine mehr auf den Hund - aber der Hund wird vor dieser Art Leinenruck geschützt und bekommt nicht gleich nen Schütteltrauma wegen mir!
Hier ist es an dir, dieses "Körperdenken" bei dir zu erkennen, solltest du es haben, und Workarounds dir auszudenken ... es ist bei jedem Menschen anders, wer gesund aufwachsen durfte, kann dieses "Körperdenken" durch bewußtes Durchspielen vorher oder nachher sehr gut abstellen. Wer weniger gesund aufgewachsen ist, kann das weniger gut ...
Ich glaube, dieser Impuls kam aus dem „der Hund muss sich alles gefallen lassen“-Denken, das in meinem Umfeld und dadurch in mir leider lange vorherrschte und sich erst seit wenigen Jahren ändert. Erschreckend, dass es auch bei mir offenbar noch tiefer verankert ist, als ich dachte.
Wir haben es hier denke ich mit einem gesellschaftlichen Problem zu tun ...
Der Imperialismus mit all seinen unschönen und menschenverachtenden Facetten ist ja erst einige Menschengenerationen her, das daraus folgende Machodenken und das Übergehen der Wünsche von Schwächeren wird noch immer gelebt und in der Schule unbewußt gelehrt (zumindest gehe ich davon aus, daß Lehrer ihren Eleven nicht schaden wollen, sondern es nur deshalb tun, weil sie mit 30 Kindern und mehr in der Klasse schlichtweg überfordert sind und außerdem es anders auch gar nicht gelernt haben).
Damit haben wir alle zu kämpfen ... und es wirkt sich leider auch auf den Umgang mit unseren Hunden aus. Das läßt sich nunmal nicht wegdiskutieren.
Aber solange du darüber nachdenken kannst und dir klarmachen kannst, dieses „der Hund muss sich alles gefallen lassen“-Denken nicht in Ordnung ist, wirst du langsam und sicher erst deine Einstellung zum Hund ändern und schließlich auch dein Verhalten. Irgendwann lachst du darüber, daß du mal so gedacht und reagiert hast und kannst dir das gar nicht mehr so richtig vorstellen ...



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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » Do 16. Jul 2020, 12:26

Ich danke Dir unendlich für deine ausführlichen Antworten und hoffe, es ist in Ordnung, dass ich ein paar Tage brauche, um zu antworten. Ich merke gerade, dass ich durch diesen Hund in eine Persönlichkeitsarbeit komme und auch kommen muss, die ich mir nicht vorstellen konnte. Deine Beiträge sind dabei unglaublich wertvoll und bringen mir viel - brauchen aber auch etwas Zeit, zu sacken und zu wirken.
Murx Pickwick hat geschrieben:
Do 9. Jul 2020, 13:33
Wenn du versuchst, bewußt zu kommunizieren, wirst du immer mind. 5sec zu spät antworten ... und das ist sehr schwer, für einen Hund zu verstehen (und bei Menschen macht eine solch verzögerte Kommunikationsreaktion merkwürdige und böse Gefühle beim Gegenüber). Das ist also ein Holzweg ...

Das bewußte Denken ist eigentlich auch nicht dafür da, in Echtzeit Verhalten oder Kommunikation zu überprüfen, sondern es ist dazu da, im Notfall abbrechen zu können oder aber eine Situation, die schon gelaufen ist, nachzubearbeiten, um daraus zu lernen. Und das hast du getan - in sehr guter und reflektierter Manier, wie ich meine.
Wenn Situationen auftreten, die nicht so ideal gelaufen sind, dann ist es notwendig, die Situation nochmal durchzuspielen und zu versuchen, die beste Lösung zu finden ... dadurch lernst du, dein Verhalten zu ändern und beim nächsten Mal besser zu reagieren.
Was auch möglich ist, wenn du schon weißt, wie eine Situation in Zukunft aussehen wird, daß du dir diese Situation im Vorfeld immer wieder durchspielst, um zur bestmöglichen Reaktion zu kommen. Hast du in Gedanken diese Reaktion oft genug durchgespielt, so daß diese in Gedanken als erste kommt - einfach vergessen, tritt die Situation in Wirklichkeit auf, wirst du genau so reagieren, wie du dir das vorher ständig vorgestellt hast.
Ich lerne: Bewusst ist in der Situation zu langsam, Danach oder davor aber Gold wert? Ich werde das Vorherdenken ausprobieren! Mir fällt da spontan eine Situation ein, bei der ich in der Hand habe, wie oft wir sie erleben - die passende Reaktion habe ich noch nicht im Kopf, aber vielleicht komm ich ihr ja näher, wenn ich die Situation bewusst durchspiele. Da geht es auch nicht um die Sicherheit von irgendwem, sondern nur darum, dass er nicht raus will, wenn wir nicht zu meinem Elternhaus fahren oder mit meinem Freund gehen. Sprich, hier macht es überhaupt nichts aus, wenn meine Vorstellungsreaktion erstmal nicht passt. Das dürfte zum ersten Üben doch ganz gut sein?
Nachbearbeitung von blöden Situationen wird natürlich weiter laufen. Dass es wichtig ist, war mir klar, dass es aber tatsächlich Einfluss auf eine unbewusste Reaktion hat, nicht.
Faszinierend, wie das Gehirn funktioniert.
Murx Pickwick hat geschrieben:
Do 9. Jul 2020, 13:33
Es gibt allerdings etwas, was dem Ganzen im Wege steht - das ist das "Körperdenken". Je stärkeren Drill du in deiner Kindheit oder Jugend erfahren hast, je stärker die Verletzungen in Kindheit und Jugend waren, desto konservativer wird dieses "Körperdenken" und desto schwerer wird es, es abzuändern.
(...)
Hier ist es an dir, dieses "Körperdenken" bei dir zu erkennen, solltest du es haben, und Workarounds dir auszudenken ... es ist bei jedem Menschen anders, wer gesund aufwachsen durfte, kann dieses "Körperdenken" durch bewußtes Durchspielen vorher oder nachher sehr gut abstellen. Wer weniger gesund aufgewachsen ist, kann das weniger gut ...

Mein erster Impuls hierzu war „ach gut, ich bin entspannt aufgewachsen, dann ist das bestimmt kein großer Punkt bei mir“ - dieses Denken verhindert aber, dass ich sehe, was bei mir automatisiert abläuft. :schäm:
Nur, damit ich einen besseren Blick darauf bekomme: zählt dazu auch, wenn ich ungeduldig werde, weil er ständig an mir zerrt (einfach weil er weg will... ich weiß, dass er das nicht bewusst macht... wenn ich darüber nachdenke) und ich daraufhin selbst unruhig, zappelig werde und einen angestrengten, unfreundlichen Gesichtsausdruck bekomme?

Mal ein kurzes Off-Topic: wie nennt man dieses Wissen, dass du da mit mir teilst? Also das Wissen um Reaktionen, bewusstes Denken, automatisierte Abläufe und co? Ich würde mich da gerne tiefer rein lesen, wüsste gerade aber nichtmal, mit welchen Stichworten Google sinnvolle Ergebnisse ausspuckt, die über irgendwelche Blogs hinaus gehen...
Murx Pickwick hat geschrieben:
Do 9. Jul 2020, 13:33
Wir haben es hier denke ich mit einem gesellschaftlichen Problem zu tun ...
Der Imperialismus mit all seinen unschönen und menschenverachtenden Facetten ist ja erst einige Menschengenerationen her, das daraus folgende Machodenken und das Übergehen der Wünsche von Schwächeren wird noch immer gelebt und in der Schule unbewußt gelehrt (zumindest gehe ich davon aus, daß Lehrer ihren Eleven nicht schaden wollen, sondern es nur deshalb tun, weil sie mit 30 Kindern und mehr in der Klasse schlichtweg überfordert sind und außerdem es anders auch gar nicht gelernt haben).
Damit haben wir alle zu kämpfen ... und es wirkt sich leider auch auf den Umgang mit unseren Hunden aus. Das läßt sich nunmal nicht wegdiskutieren.
Aber solange du darüber nachdenken kannst und dir klarmachen kannst, dieses „der Hund muss sich alles gefallen lassen“-Denken nicht in Ordnung ist, wirst du langsam und sicher erst deine Einstellung zum Hund ändern und schließlich auch dein Verhalten. Irgendwann lachst du darüber, daß du mal so gedacht und reagiert hast und kannst dir das gar nicht mehr so richtig vorstellen ...
Damit hast du wohl leider recht. Dieses Schema ist öfter zu beobachten.
Dein letzter Absatz macht mir aber Hoffnung!

Viele Grüße!


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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Murx Pickwick » Sa 18. Jul 2020, 16:41

Mir fällt da spontan eine Situation ein, bei der ich in der Hand habe, wie oft wir sie erleben - die passende Reaktion habe ich noch nicht im Kopf, aber vielleicht komm ich ihr ja näher, wenn ich die Situation bewusst durchspiele. Da geht es auch nicht um die Sicherheit von irgendwem, sondern nur darum, dass er nicht raus will, wenn wir nicht zu meinem Elternhaus fahren oder mit meinem Freund gehen. Sprich, hier macht es überhaupt nichts aus, wenn meine Vorstellungsreaktion erstmal nicht passt. Das dürfte zum ersten Üben doch ganz gut sein?
Das klingt ideal ... :D

Ich selbst kann leider nicht helfen, wie man das am besten üben kann, ich spiele Situationen schon seit meiner Kindheit im Kopf im Vorfeld durch, bis sie passen.
Ich hab erst lernen müssen, daß das nicht jeder Mensch macht. Allerdings hatte ich das auch in Nin Ju tzu gelernt, hier wurden halt bestimmte Situationen der Selbstverteidigung immer wieder durchgespielt (auch körperlich natürlich, um die Muskeln zu trainieren, aber auch im Kopf, um Situationen vorrausplanen zu können, in die man hoffentlich niemals kommt und die man auch im Training nicht wirklich nachstellen will).
Nur, damit ich einen besseren Blick darauf bekomme: zählt dazu auch, wenn ich ungeduldig werde, weil er ständig an mir zerrt (einfach weil er weg will... ich weiß, dass er das nicht bewusst macht... wenn ich darüber nachdenke) und ich daraufhin selbst unruhig, zappelig werde und einen angestrengten, unfreundlichen Gesichtsausdruck bekomme?
Ich denke schon, daß auch da ein guter Anteil an "Körperdenken" bei ist, allerdings dürften da auch noch weitaus mehr Faktoren eine Rolle spielen, wie beispielsweise Gesellschaftsdruck (dir wird vorgeworfen, du hättest deinen Hund nicht unter Kontrolle und du läßt dich dadurch verunsichern), Ungeduld und Überforderung.
Prinzipiell, wenn du diese Situation auseinandergedröselt bekommst (hol dir da ruhig Beobachter ran, die dir beschreiben, was sie sehen und denken) und es schaffst, dir Souveränität anzugewöhnen, kommst du insgesamt besser mit dem Hund klar, wenn er an der Leine zieht und weg will. Beispielsweise kannst du dann viel eher so viel Leine geben, daß du dem Hund die Chance gibst, sich selbst zu entscheiden, ob er lieber bei dir bleiben will, oder weg will. Das kann er nämlich nicht, wenn du ihn ganz kurz an der Leine hältst, also löst das bei ihm Panik aus.
Eine souveräne Ausstrahlung wirkt zudem beruhigend auf deinen Hund und deine Umgebung. Wenn du mit zerrendem Hund und gehetzten Blick durch die Gegend torkelst, wirst du auch vom Umfeld als unzuverlässig eingestuft und bekommst die volle Breitseite von verachtungsvollen Blicken, mitleidigen Blicken und "Ich kann das eh alles besser"-Blicken. Und das verstärkt die angespannte Situation mit deinem Hund wiederum - ein echter Teufelskreis.
Mit souveräner Ausstrahlung dagegen bekommst du trotz zerrendem Hund anerkennende Blicke, bewundernde Blicke oder auch hilfsbereite Blicke - und das brauchst du in so einer Situation auch.

Wenn du dich tiefer einlesen willst, wirst du eine Menge Literatur sichten müssen ...
Das meiste findet sich in Ethologie, aber auch Neurologie und Traumatherapie helfen gut weiter. Eine sehr hilfreiche Literatur findest du unter den Profilern.
Letztendlich mußt du das alles nehmen, gut umrühren und durchschütteln und schauen, was am Ende mit deinen Erfahrungen zusammenpaßt und was du da noch ausprobieren kannst ...



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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » Do 23. Jul 2020, 13:23

Murx Pickwick hat geschrieben:
Sa 18. Jul 2020, 16:41
Ich selbst kann leider nicht helfen, wie man das am besten üben kann, ich spiele Situationen schon seit meiner Kindheit im Kopf im Vorfeld durch, bis sie passen.
Ich hab erst lernen müssen, daß das nicht jeder Mensch macht. Allerdings hatte ich das auch in Nin Ju tzu gelernt, hier wurden halt bestimmte Situationen der Selbstverteidigung immer wieder durchgespielt (auch körperlich natürlich, um die Muskeln zu trainieren, aber auch im Kopf, um Situationen vorrausplanen zu können, in die man hoffentlich niemals kommt und die man auch im Training nicht wirklich nachstellen will).
Das klingt mega spannend. Aber ich sehe schon, das wird ein ganzes Stück Arbeit, bis ich das automatisiere. Ich denke seit ich klein bin nämlich immer erst im Nachhinein Situationen durch. Das kann ich super - inklusive ZU VIEL Gedanken machen über Vergangenes :D Ein paar mal habe ich jetzt schon überlegt, was ich wann mache, als wir raus sind. Dann hatte ich aber wieder zu viel mit mir zu tun und hatte keine Kraft frei. Ich bilde mir ein, dass es besser lief, als ich vorher durchdacht hatte.
Murx Pickwick hat geschrieben:
Sa 18. Jul 2020, 16:41
Ich denke schon, daß auch da ein guter Anteil an "Körperdenken" bei ist, allerdings dürften da auch noch weitaus mehr Faktoren eine Rolle spielen, wie beispielsweise Gesellschaftsdruck (dir wird vorgeworfen, du hättest deinen Hund nicht unter Kontrolle und du läßt dich dadurch verunsichern), Ungeduld und Überforderung.
Prinzipiell, wenn du diese Situation auseinandergedröselt bekommst (hol dir da ruhig Beobachter ran, die dir beschreiben, was sie sehen und denken) und es schaffst, dir Souveränität anzugewöhnen, kommst du insgesamt besser mit dem Hund klar, wenn er an der Leine zieht und weg will. Beispielsweise kannst du dann viel eher so viel Leine geben, daß du dem Hund die Chance gibst, sich selbst zu entscheiden, ob er lieber bei dir bleiben will, oder weg will. Das kann er nämlich nicht, wenn du ihn ganz kurz an der Leine hältst, also löst das bei ihm Panik aus.
Eine souveräne Ausstrahlung wirkt zudem beruhigend auf deinen Hund und deine Umgebung. Wenn du mit zerrendem Hund und gehetzten Blick durch die Gegend torkelst, wirst du auch vom Umfeld als unzuverlässig eingestuft und bekommst die volle Breitseite von verachtungsvollen Blicken, mitleidigen Blicken und "Ich kann das eh alles besser"-Blicken. Und das verstärkt die angespannte Situation mit deinem Hund wiederum - ein echter Teufelskreis.
Mit souveräner Ausstrahlung dagegen bekommst du trotz zerrendem Hund anerkennende Blicke, bewundernde Blicke oder auch hilfsbereite Blicke - und das brauchst du in so einer Situation auch.
Danke für die Einschätzung! Jetzt, wo ich das lese, fällt mir tatsächlich auf, dass ich entspannter reagiere, wenn wir unbeobachtet sind. Und dass ähnliche Situationen dann auch deutlich schneller und einfacher gelöst sind. Auch, wenn ich es mal schaffe, mich nicht um die Umstehenden zu kümmern, bei uns zu bleiben, beobachte ich das. Wie blöd, dass mir das nicht selbst aufgefallen ist. Und noch blöder, dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin - in jedem Kommunikationstraining, in jedem Kundenumgangstraining, die ich in meiner Ausbildung gemacht habe und überall, wo ich bisher zu Kommunikation gestöbert habe, wird diese Wirkung beschrieben. Es ist für mich auch von beginn an ein logischer Zusammenhang gewesen. Was ärgere ich mich gerade, dass ich daran nicht mehr gedacht habe, als es wichtig wurde :sauer: nunja, vielleicht war das ja jetzt mein Augenöffner...

Leider ist es schwierig, Situationen beobachten zu lassen. Sobald noch wer dabei ist, der zu uns gehört (und das bemerkt der Hund „leider“ sehr schnell, auch wenn es jemand bis dato unbekanntes ist), zeigt Biskit nur noch abgeschwächtes Verhalten. Sein Angstverhalten, Reizreaktion, eben das, was uns Probleme macht, ist mit einer zweiten Person so weit abgeschwächt, dass es einen deutlich größeren Reiz braucht, um das Verhalten auszulösen, mit dem ich nicht mehr adäquat umgehen kann. Das heißt, ich müsste ihn bewusst starken Reizen aussetzen, um bewusst ein Angstverhalten auszulösen. Laut den Erzählungen, wenn mein Freund oder meine Mutter ohne mich mit Biskit unterwegs sind, ist es da auch so - alleine reagiert er stärker, als wenn noch jemand dabei ist. Es scheint also nicht direkt an mir als Person zu liegen, sondern tatsächlich an der Gruppengröße. Ist verständlich was ich meine? Mir widerstrebt das aktuell noch, ihn bewusst ängstigendem auszusetzen... andererseits komm ich ohne das nicht an gute Beobachtungen...
Das meinte ich auch, was es mir schwer macht, mir einen Coach zu suchen, der nicht zu uns kommen kann - denn selbst mit einem Coach vor Ort ist Biskits Verhalten „verfälscht“. Wie soll dann eine sinnvolle Einschätzung und Zusammenarbeit per Videos entstehen?
Murx Pickwick hat geschrieben:
Sa 18. Jul 2020, 16:41
Beispielsweise kannst du dann viel eher so viel Leine geben, daß du dem Hund die Chance gibst, sich selbst zu entscheiden, ob er lieber bei dir bleiben will, oder weg will. Das kann er nämlich nicht, wenn du ihn ganz kurz an der Leine hältst, also löst das bei ihm Panik aus.
Das hier ist mir tatsächlich im Herbst schon aufgefallen. Seitdem läuft Biskit nur sehr selten an der kurzen 1m-Leine. Wir alle nehmen bei so gut wie jedem Gang die 5m-Leine und nehmen sie nur kurz, wenn es die Situation erfordert (bspw. Straßenverkehr, eine entgegenkommende Menschengruppe, ein angeleinter entgegenkommender Hund, dessen Reaktion ich nicht abschätzen kann oder wenn ich Biskits Reaktion auf ihn nicht abschätzen kann). Das hat einen großen positiven Einfluss auf Sein Verhalten gegeben. Eine längere Leine wird für mich leider nicht mehr handelbar, wenn er mit Anlauf durchstartet. Die 10m, die er jetzt maximal hat, bis die Leine endet, kann ich noch In jeder Situation halten, also auch wenn es mich überrascht, ich nicht sicher stehe oder es rutschig ist. Würde es Sinn machen, eine längere Leine zu kaufen, die dann nur mein Freund nutzt?

Literatur werd ich mir dann mal aus den verschiedenen Bereichen besorgen. Ich glaube, da reinzutauchen, wird mir Spaß machen. Also sollte das machbar sein :D


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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » Di 28. Jul 2020, 13:57

Kleines Zwischenupdate.

Ich behaupte mal vorsichtig, dass der Knoten in mir beginnt, sich zu lösen. Und dass Biskit beginnt, mich zu verstehen und mir ehrliches Vertrauen, auch in meine Fähigkeiten, entgegenzubringen.
Ich habe die letzten Tage fast immer noch in der Situation gemerkt, dass ich nicht mehr gut kommuniziere, habe ein kurzes „Warte“, Durchatmen, Augen schließen und auf Pause drücken eingelegt. Danach ging es Immer besser - ich war wieder ruhiger, Biskit konnte mich wieder wahrnehmen und verstehen, ich habe eine Lösung gefunden und wieder Ruhe reingebracht. Das war Jeweils im Garten meiner Mutter, auf den Einmal-täglich-15min-Gängen im Feld, dreimal im Ort und einmal auf einer fremden Strecke (hier inklusive Begegnung einer unbekannten Frau mit Hund, die ihren aber netterweise angeleint hat, sobald sie gesehen hat, dass ich meinen an der Leine habe und ihn bei mir laufen lasse :freu: ! Wir hatten auch viel Platz aneinander vorbei zu gehen und es lief wirklich toll, Biskit ist an lockerer Leine an der dem Hund abgewandten Seite von mir gelaufen und hat nicht einmal versucht, in seine Richtung zu laufen - nur sein Kopf war zu ihm gewandt! mir war der andere zu aufgedreht, Biskit war gespannt, ist die letzten Tage schon leicht erregbar und hat viel zu verarbeiten. Daher wollte ich keinen Kontakt, die Frau hat das überhaupt nicht in Frage gestellt, ich habe es nicht mal sagen müssen, sie hat ihren kurz, bei sich gehalten - da hab ich mich im Vorbeigehen bedankt über dieses rücksichtsvolle verhalten)
Selbst die Handwerker auf dem Dach nebenan - die Halle steht tiefer, daher ist das Dach nur etwa 1,5m über dem Garten meiner Mutter, also für den Hund gut einsehbar - haben wir gut hinbekommen. Nachdem er sich einmal richtig erschreckt, dann verbellt hat und dieses Bellen in einen Heul-ähnlichen Ton überging...
Eine Lösung für das Rausgehen-Problem zu Hause habe ich leider immer noch nicht. Beim letzten Versuch war er dann so gestresst, dass er noch im Hof Touristen aufs Äußerste Verbellt hat und er sich komplett gegen das Weitergehen verweigert hat - also sind wir wieder rein.

Insgesamt habe ich das Gefühl, er entspannt sich schneller, fragt ein bisschen mehr ab, akzeptiert besser, wenn ich auch „optisch“ die Führung übernehme - also voran gehe - immer leichter. Ich kann immer öfter die vordere Position einnehmen, wenn der Weg nicht in beide Richtungen begrenzt ist, sondern er theoretisch vorbei könnte.
Ich habe das Gefühl, besser einschätzen zu können, wie energisch meine Korrektur gerade sein muss und darf, die Leine ist seltener Begrenzung geworden - also ich bin schneller in meiner Begrenzung.
Was mir noch sehr sehr schwer fällt, ist seine hohe Energie zu begrenzen, herunterzufahren. Da weiß ich noch nicht, wie ich das machen soll. Wenn ich seinen Bewegungsradius einschränke, fährt er oft auch runter. Aber eben nicht immer. Und wenn er schnell sehr hoch gefahren ist, kann ich seine Bewegung aktuell nicht sicher begrenzen.
Also im Endeffekt begrenze ich ihn sehr viel im Bewegungsradius - draußen und im Haus (hier wegen der Katzen - ich mag ihn nicht auf Dauer bei jedem Besuch meiner Mutter angeleint lassen).

Dafür fängt er mittlerweile an, alles was sich näher als 2m am Auto befindet und bewegt, zu verbellen, wenn er im Auto ist... da hab ich noch keine Lösung für - körpersprachlich bin ich da nunmal etwas eingeschränkt... :/ mal sehen, wie wir das lösen.

Ich muss mich da auch ehrlich gesagt erst noch dran gewöhnen, so viele und deutliche Grenzen zu setzen und dafür einzustehen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass wir nur dann vorwärts kommen, wenn ich jetzt eben erstmal klar die Kontrolle übernehme und ihn viel begrenze. Ihm klar mache, dass ich den Alltag regle und er sich um keinen Reiz kümmern braucht, dass er nicht vorgehen braucht, sondern dass ich das übernehme. Bis jetzt sehe ich eine positive Veränderung - ich bin gespannt wie es weiter geht. So wirklich an die Begrenzung gehe ich erst seit meinem letzten Post hier.
Ich lerne auch gerade erst, wie ich das mache, also wie ich meinen Körper effektiv einsetzen kann. Aber ich glaube, ich verstehe so langsam die wichtigsten Grundlagen...

offensichtlich habe ich aber auch einen Fehler beim „wieder freigeben gemacht“. Gestern habe ich ihn wieder hinter/neben mir laufen lassen und wollte ihm nur erlauben, sich im Leinenradius auch woanders zu bewegen. Ich habe das dann gedanklich versucht - weil Gedanken ja einen Einfluss auf die Körpersprache und Spannung haben. Diesen Einfluss habe ich gemerkt, aber Biskit blieb neben mir. Also dachte ich, er hätte mich nicht verstanden und habe gedacht „ist doch gut, du darfst laufen. Na los, geh schon“ oder so ähnlich - tja und dann ist er mir in die Leine gerannt. Eine Änderung in meinem Körper habe ich nach dem Gedanken nicht mehr wahrgenommen - keine Ahnung also, was das war. Aber ich bin sicher, dass ich den Fehler schon in meinen Gedanken gemacht habe. Bei vorherigen „Freigaben“ ist er nämlich nicht mehr losgestürmt, sondern entspannt an den Wegrand getrottet oder locker vorgetrabt.

Heute Abend nehmen mein Freund und ich an einem Online-Seminar zum Thema Körpersprache der Hunde teil - ich bin mal gespannt.


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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » Fr 28. Aug 2020, 12:49

So, vor 4 Wochen wurde unser Alltag auf den Kopf gestellt. Unser Sohn ist jetzt einen Monat alt - und Biskit kommt so langsam wieder in die Bahn.
Biskit wurde am Tag der Geburt von meiner Mama abgeholt und war dann insgesamt 3 Tage bei ihr. Das schien total normal zu laufen, er hatte sogar Lust, raus zu gehen. Auch, als mein Freund ihn an Tag 3 geholt hat, war alles supi - bis ich am nächsten Tag nach Hause kam. Ab dem Moment ist er nur noch mit aufwendigster Überzeugungsarbeit ohne mich aus der Wohnung - und dann maximal bis in den Hof, hat aber nicht mal gepinkelt. Ich war noch nicht sonderlich fit, die 3 Stockwerke waren für mich noch eine Woche lang an der Grenze des machbaren (wir vermuten, dass meine Verletzlichkeit Biskit so sehr verunsichert hat und er sich zur Aufgabe gemacht hat, mich im Blick zu haben. Auch in Wohnung ist er nur von meiner Seite gewichen, wenn ich im Schlafzimmer, das für ihn tabu ist, war - da lag er vor der Tür). Wir haben es nicht geschafft, ihm diese Unsicherheit/Aufgabe zu nehmen - und auch nicht, ihn öfter, als zweimal am Tag raus zu bekommen... Wir waren kurz davor, ihn wieder ein paar Tage zu Mama zu bringen.
Mittlerweile geht er in etwa 50% der angebotenen Möglichkeiten (4 bis 8) mit meinem Freund oder meiner Mama in den Hof, auch wenn ich oben bleibe - das heißt aber noch lange nicht, dass er dann auch pinkelt... mit mir geht er fast immer raus, aber aus dem Hof sind wir erst 2 mal gekommen (einmal musste er dringend groß, einmal war nachts um halb 12).
Eine Runde laufen können wir mit ihm nur mit mehreren, am besten wenn ich dabei bin. Das schaffen wir gerade 1 bis 2 mal am Tag. Dann geht es aber einigermaßen gut. Allerdings pöbelt er andere Hunde schnell an - es ist aber alles gut, wenn viel Platz ist und er sich gut bewegen kann.
Zuhause wirkt er erwachsener, selbstbewusster, verbellt Besuch deutlich und meldet ausführlich. Er hat zu beginn jeden Pups draußen gemeldet Und bei Besuch abgesehen von meiner Mama sperre ich ihn immer noch kurz ins Wohnzimmer, bis der Besuch angekommen ist, wenn ich alleine bin und das Kind auf dem Arm habe... Aber wir haben ihm mit körpersprachlicher Begrenzung schon wieder viel von dieser Verantwortung nehmen können - die Aufgabe (die wir ihm zumindest nicht bewusst gegeben haben), hat ihn definitiv überfordert.
Auch draußen ist gerade viel begrenzen angesagt. Es ist zwar sehr anstrengend und für mich ungewohnt (mein Freund hatte vor ihm noch keinen eigenen Hund), aber wir haben gemerkt, dass Biskit entspannter ist, wenn er viele und enge Grenzen hat, beziehungsweise einen möglichst kleinen Entscheidungsfreiraum. Dann kann er sich draußen so entspannen, dass er sich an uns orientiert (ZB Richtungsabfrage, sofortiges mit stehen bleiben) und mit locker erhobener Rute 5m hinter uns läuft und alles entspannt beschnüffelt oder dass er mit Kopf auf Beinhöhe zwischen uns läuft - je nach Forderung. Dann kann er innerhalb weniger Minuten Besuch akzeptieren und sich ablegen. Blöd ist nur, wenn nicht immer mindestens einer von uns während des gesamten Spaziergangs, beziehungsweise mindestens während der ersten 15 min Besuch sofort auf jede Zuckung von Biskit reagiert. Hat derjenige es einmal verpasst, stellt er die Souveränität von uns beiden erst mal wieder in Frage und versucht, die nächsten Situationen wieder selbst zu regeln...

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass ich das Gefühl habe, dieser für Biskit krasse Einschnitt in den Alltag hat uns gezeigt, was er gerade wirklich dringend braucht (Grenzen, Führung und Abnahme von Verantwortung und Entscheidung - alles deutlich). Wie wir das rausgehen lösen, ist aber noch ein großes Fragezeichen.
Ohne die Erwartung, dann auch eine Runde zu drehen geht es Etwas besser - Vielleicht sollten wir sogar die Frage, ob er raus will, ohne Erwartung stellen. Ich mache mir aber wirklich Sorgen um seinen Harntrakt...

Auf alle Fälle lernen wir mit und durch diesen Hund enorm dazu - über ihn, Hunde, deren und unsere Körpersprache, Kommunikation und die Macht der Gedanken...


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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » Mi 7. Okt 2020, 09:38

Das letzte Update ist länger her. Und dazwischen ist wieder viel passiert.

Wir haben Biskit etwa 4 Tage lang sehr eng begrenzt, weil wir das Gefühl hatten und noch haben, dass ihm das Sicherheit gibt. Also „durfte“ er nichts. In der Wohnung durfte er frei fressen, saufen und bis auf wenige Ecken (Schlafzimmer, Küche und vor der Tür) seinen Liegeplatz frei wählen. Sonst nichts. Kein Toben, kein beim Essen machen in der Küche stehen, kein Nachlaufen, kein zur Tür gehen wenn Besuch kommt, kein Abschnuppern von Besuch. Draußen durfte er Pinkeln, Kacken und hinter oder neben uns laufen. Aber kein langes Schnüffeln (dabei gruselt er sich schnell...), kein Kontakt zu anderen Hunden, kein um die Ecke gucken, kein Stehen bleiben.
Dieses Vorgehen hat 4 Tage lang zu einem recht entspannten Hund geführt, der wieder mit raus ist und sich bei Besuch nicht rein gesteigert hat.
Und dann kam Tag 5. Draußen und mit Besuch war immer noch gut. ABer er ist abends völlig abgedreht. EIne halbe Stunde in der Wohnung gefetzt und war nicht zu stoppen. Hat nicht aufgepasst, wo er lang rennt, Sachen geklaut (auch aus der Hand... Diebstahl war generell kein Thema mehr, aus der Hand gleich dreimal nicht), uns sehr energisch und mit vollem Körpereinsatz zum Toben aufgefordert und eine Abweisung ignoriert.

Lerneffekt: Grenzen ja, an sich auch ziemlich enge, sodass er sich gut orientieren kann und genau weiß, was (nicht) sein Zuständigkeitsbereich ist. Allerdings müssen wir aufpassen, dass die Grenzen nicht zu eng und er vor allem nicht 24/7 „nichts“ darf, da er sonst völlig abgedreht daraus ausbricht...

Wir handhaben es jetzt so, dass wir ihm mindestens 5 mal die Möglichkeit geben, zum Pinkeln runter zu gehen. Einmal früh und einmal Abend muss er mit - das ist aber mittlerweile relativ einfach umzusetzen und oft müssen wir ihn nur einmal zwingen. Meistens geht er zusätzlich noch einmal mit runter. Daneben gehen wir einmal am Tag eine Runde - je nach Wetter, Biskits Laune und Anstrengung mit dem Kleinen 15 bis 45 Minuten - oder zu Familienmitgliedern, wo er im Garten laufen kann. An ganz guten Tagen gibt es sogar 2 mal mehr, als nur zum Pinkeln.
Wenn wir dann draußen sind, hat er immer noch enge Grenzen. Es wird nicht stehen geblieben, es sei denn, wir machen bewusst Pause, schnüffeln ist nur drin, wenn er entspannt ist und gerade niemand um uns rum ist, den Großteil des Spaziergangs läuft er hinter oder neben uns, dort ist es aber egal wo (innerhalb der Maximal 5m Leine - in der Stadt hat er nur 1 bis 1,5m), nur vor darf er nicht. Kontakt mit anderen Hunden gibt es nur, wenn viel Platz ist (er bleibt zwar an der Leine, aber alles unter 4m Breite ist ihm zu eng und er pöbelt teilweise schon von weitem), Biskit interessiert ist und der andere nach sinnvollem Kontakt wirkt, ansonsten geht er an sehr kurzer Leine neben uns auf der abgewandten Seite, wird einmal deutlich mit einem „lass bleiben“ angesprochen; danach konzentriert sich derjenige mit der Leine nur noch auf den Weg, hat den anderen Hund locker im Blick und geht mit möglichst viel Abstand zügig vorbei - so umgehen wir fast alles pöbeln und reinsteigern.
An den Stellen, an denen er „freigegeben“ ist, darf er in dem Leinenradius von 5m fast alles tun, was er will - weiterhin tabu ist das Verlassen von Wegen und das Durchstarten. Wenn er sich festschnüffelt oder ein Hund oder etwas potentiell gruseliges in unser Blickfeld kommt, wird er aber wieder begrenzt und hat sich bei uns einzuordnen.

Das und wahrscheinlich meine geänderte Grundeinstellungen (wenn er tobt, tobt er halt. wenn er fliehen will, hängt er halt in der Leine. Und wenn er sein Leben lang nur im Eingezäunten frei laufen kann, dann ist das halt so) haben da echt zu viel Entspannung geführt und Biskit ist deutlich lockerer, sortiert sich sehr oft bei uns ein und orientiert sich an uns :freu:

In der Wohnung darf er alles, außer ans Kind, über die Couch toben, ins Schlafzimmer und im Flur liegen. Wenn er abends ne Runde toben will, darf er das - wenn einer von uns kann und mag, gerne mit uns (auch wenn es sehr körperlich ist, er nimmt sich zurück, wenn es zu viel wird), sonst eben mit seinem Kissen und Spielzeug. Wenn es klingelt, hat er einen von uns vorzulassen (klappt gut) und dann den Besuch reinzulassen und nicht im Flur zu stehen (klappt aktuell nur mit Korrekturen...). Besuch nimmt sich mittlerweile ein Leckerli und wirft es ihm zu - hat dazu geführt, dass er jetzt jedem, der einmal was geworfen hat, aus der Hand frisst und am Rockzipfel hängt oder vorsitzt :crazy: Das hatte er schnell raus :pfeif: Aber gut, dafür ist es deutlich entspannter geworden und wir arbeiten jetzt daran, dass Besuch nicht bedrängt wird, um Futter oder Streicheleinheiten abzustauben - das ist einfacher zu bearbeiten, als sein Getobe und seine Panik des letzten Jahres.

Mit dieser Kombi fahren wir aktuell gut. Mal sehen wie lange :lol:
Dieser Hund fordert mich ziemlich.


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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von animallover » Do 15. Okt 2020, 14:45

hallo, ich kann es kaum glauben, endlich etwas gefunden zu haben. ich bin die retterin von biskit und habe ihn damals an ein junges Mädchen vermittelt. leider hat die mich ganz schön übers ohr gehauen, obwohl ich sie sogar besucht und mich mit ihr angefreundet habe. Plötzlich war biskit weg und sie sagte, die neuen Besitzer wollen keinen Kontakt zu mir, was ich sehr schade finde weil ich seine ganze geschichte kenne und denke, daaa dies sehr hilfreich sein kann, wenn man mit ihm arbeitet. Außerdem liebe ich ihn sehr und mich interessiert wie es ihm geht. ich möchte gerne unterstützen wo immer es hilfreich ist (will mich jedoch nicht aufdrängen) aber ich wäre so so so dankbar, wenn sie sich melden könnten! ❤️❤️❤️
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Re: Biskit - ein Hund, viele Baustellen

Beitrag von Sasse » Di 3. Nov 2020, 19:35

Nicht wirklich? Ich habe gerade Gänsehaut!
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