Seit einigen Tagen hab ich ne 100% Reitbeteiligung - Problem, das Pferd läßt sich noch gar nicht reiten ... ich muß ihn also erst irgendwie dazu überreden.
Und selbstverfreilich, wie immer, such ich mir natürlich nicht ein schön einfaches Pferdchen aus, was von Fohlen an Pferdepediküre und an allerlei unförmigen, klappernden und sonstigen Gegenstände auf, um und unter sich kennt, nein, natürlich muß ich mir den schwierigsten Gaul vons Hof aussuchen - wäre ja auch sonst zu langweilig ...

Die Ausgangssituation:
Paddy kenne ich eigentlich nur von der Weide, ein liebes, etwas zu groß geratenes Pony, schmusebedürftig und respektvoll im Umgang mit Photografen - im Gegensatz von anderen Weidebewohnern! Er stand immer ein wenig abseits von den anderen Pferden und in der allgemeinen Hackordnung der Gefangenen stand er ganz, ganz unten, er durfte nur dann trinken, wenn die Anderen nicht an der Tränke waren. Und er fragte mich immer vorher höflich an, ob er schmusen kommen darf.
Die Anderen auf dem Hof hatten Paddy ein kleines bißchen anders kennengelernt:
Paddy respektiert keine Zäune - auch und erst recht keine, wo Strom drauf ist. Wenn die Wiese auf der anderen Seite des Zaunes grüner ist, ist klar, wo Paddy zu finden ist - auf der verkehrten Seite des Zaunes!
Sollte ein Mensch auf die Idee kommen, mein kleines, süßes Schmusepony einfangen zu wollen, wurde aus ihm eine frisch aufgefüllte und vollbefeuerte Dampfwalze, die wirklich alles niederrannte, was vor die Hufe kam ... Ausweichen? - Wozu, wenn es auch auf direktem Wege geht?
Sollte das nicht reichen, die Flucht durchs Dorngesträuch sollte reichen!
Nun hat Paddy, so rein objektiv betrachtet, die Ausmaße eines mittelgroßen Norikers ... und auch das Gewicht! Ein hübsch großer Irish Cob halt, Originalimport. Was er kennt, ist die irische Freiheit und was er haßt, ist die deutsche Engstirnigkeit ... insbesondere, was die Auffassung der deutschen Menschen angeht, wo ein Pferd zu grasen hat und was ein Pferd sonst noch zu leisten hat.
Halfter anlegen? Am Führstrick laufen? Angebunden werden? Zaun einer Weide respektieren?
Ihr habt se doch nicht mehr alle!
Paddy brauchte das nie!
Paddy will das auch nicht!
Paddy hat fertig!
Paddy sollte von der Bereiterin des Hofes fertig gemacht werden für den Reitunterricht ... nun, wie soll ich sagen ... jedenfalls hat sie sich irgendwann nicht mehr um Paddy gekümmert, sie hatte schon echte Probleme, ihn überhaupt nur aufzuhalftern. Paddy war oder wurde kopfscheu - eine wirklich gute Kombi mit der Dampwalzeneigenschaft und der irischen Dickköpfigkeit!
Und ausgerechnet dieses Pferd glaubte ich Ausbilden zu können!

Tag Eins verging für uns Beide eigentlich nur damit, daß ich ausprobierte, ob es irgendwas gibt, außer der Kamera, wo Paddy nicht mit Panik drauf reagierte ... nunja, viel war es nicht, genau genommen waren es nur die Möhren, die ich mit bei hatte. Ausnahmslos alles andere, wie Halfter, Führstrick, Gerte, was auch immer war gaaaaaanz furchtbar schrecklich böse und bissig! Am Bösesten war der Führstrick ... im Angesicht von diesem Monster ging Paddys Kopf hoch, Ohren windschnittig nach hinten gelegt, die Hinterhaxen knickten ein und die Vorhand machte sich bereit, arm klein Paddy in Windeseile aus der Gefahrenzone zu bringen - einzig die Gier nach den Möhren hielten Paddy davon ab, mal wieder durch sämtliche Zäune und sämtliches Dorngesträuch sich in Sicherheit zu bringen ...
Tag Zwei konnte ich ihn mit dem Führstrick "schlagen", ihm den Führstrick um den Hals legen, über den Rücken gleiten lassen, mit der Gerte streicheln und massieren, das Halfter von sämtlichen Seiten, von oben, unten, links und rechts versuchen aufzuhalftern, ich konnte mit allem in die Luft schlagen und böse Geräusche machen, mit Ketten klappern, war alles kein Problem mehr ... gut, Aufhalftern ging erstmal nur von vorne, sobald ich korrekt links vom Pferd stand, war wieder Panik angesagt ...
Vorgestern hatten wir den großen Durchbruch mit dem Führen - während er vorher wie ne Eins stand, sobald der Führstrick ins Spiel kam, hatte ich ihn vorgestern das erste mal 30 Schritt (mit einer Zwischenbelohnung und einer Endbelohnung

Gestern gings das erste Mal aus der Herde raus.
Heute haben wir Beide uns das erste mal ganz von der Weide runtergetraut, in der zweiten Übungsstunde kamen wir sogar bis zum Anbindeplatz und haben putzen geübt - und hier komm ich nicht mehr weiter ...
Beine heben und festhalten, Hufe auskratzen, still stehen bleiben, egal, mit was pferd massiert wird - all das funktionierte auf der Weide tadellos, Paddy stand wie ne Eins, Paddy wußte, wie er sein Gleichgewicht auf drei Beinen halten mußte, damit ich seine Hufe festhalten konnte, Paddy stellte die Hufe schön vorsichtig wieder auf den Boden, sobald ich sagte, daß ich mit dem Huf fertig bin ...
... ganz anders nun auf dem Anbindeplatz - Paddy ist so abgelenkt, aufgeregt, fast schon verschreckt, daß er einfach alles vergessen hat. Er kann nicht mehr stillstehen. Er hat vergessen, daß er das Gleichgewicht verlagern muß, um den geforderten Huf zu heben und versucht sich genau dahin zu lehnen, wo er den Huf hebt! Was natürlich ne mittelmäßige Katastrophe gibt ... so würd ja sogar ich umkippen!
Dann versucht er vor lauter Eifer und Aufregung gleich alle Hufe, eins nach dem anderen zu heben - ohne aber den Huf, den ich gerade säubern will, wieder hinzustellen! Er stand auf die Art gleich mehrmals auf zwei Hufen, daß er dabei nicht auf mich draufgefallen ist oder selbst hingefallen ist, ist ein wahres Wunder!
Noch schlimmer ists mit den Hinterhufen ... er hebt den Hinterhuf so hoch an, wie nur irgend geht, zieht ihn aber gleichzeitig direkt unter sich, verlagert seinen Schwerpunkt dann auch nach hinten dorthin, wo er den Huf angehoben hat und wundert sich, daß er so umkippt!
Beim Versuch, sich abzufangen, hat er dann leider meinen Fuß erwischt ...

Ich hab es nicht mal im Ansatz geschafft, auch nur ein klitzekleines Bißchen Ruhe da reinzubringen - im Gegenteil, je länger er da stand, desto mehr regte er sich auf.
Ich hab dann irgendwann nur noch mal verlangt, daß er seinen Vorderhuf - egal welchen - hebt und ich hab nochmal ne halbe Sekunde festgehalten und gehufkratzt, danach hab ich ihm seinen Huf zurückgegeben, damit er ihn wieder an Ort und Stelle setzen konnte, bevor er umkippte, damit ich ihm nochmal nen Belohnungshäppchen geben konnte und wir Beide doch noch nen kleinen Erfolg hatten.
Wie gesagt, das Hufe geben hatte auf der Weide tadellos geklappt ... auf dem Anbindeplatz dagegen ist Ka-Tas-Tro-Phe!
Und es ist NICHT aus Unwilligkeit oder so ... im Gegenteil, er ist eifrig bei der Sache - aber er schafft es einfach nicht, sich da genügend zu konzentrieren, um das Gleichgewicht dahin zu verlagern, wo er es für nen sicheren dreibeinigen Stand braucht!
Er ist auch nicht böswillig - er fällt halt einfach nur dahin, wo das Bein angehoben ist ... Pech, daß ausgerechnet ICH da im Wege stehe, wenn er versucht, sich im letzten Moment abzufangen ...
Wir waren Beide richtig glücklich, ihn wieder auf die Weide zu bringen ... ich hab zwar noch mal von ihm verlangt, kurz nen Bogen zu machen, von der Weide weg am bösen, bösen Traktor vorbeizulaufen, aber danach gings direkt nur noch zur Weide ... und auch hier, er ließ sich zwar noch problemlos abhalftern, wie geübt halt, aber unser Ritual am Ende der Übungen, nämlich daß ich mich noch mal auf seinen Widerrist oder seinen Rücken lehne und wir Beide dann ruhig stehen, das ging gar nicht mehr - Hand auf Widerrist gelegt und er ging straight ahead zum Salzleckstein, hat nur noch kurz geschaut, ob ich ihm böse bin und ihn zurückrufe, aber nachdem er sah, daß ich mich inzwischen mit der Schließung des Weidezaunes beschäftigte, gallopierte er erleichtert zu seiner Herde.
Heute werde ich nix mehr mit ihm machen ... wir sind Beide fix und alle ...
Für morgen ergibt sich für mich die Frage - wie bringe ich nem Pferd bei, sein Gewicht so zu verlagern, daß er sicher auf drei Beinen steht, wenn ihm die Hufe ausgekratzt werden?
Die Hufe sehen eh furchtbar aus, die müssen dringenst vom Hufschmied gemacht werden - und der findet es bestimmt nicht witzig, wenn Paddy auf ihn drauffällt! Bis der Hufschmied kommt, muß Paddy seine Hufe geben können und wissen, wie er sein Gewicht verlagern muß!