Freilandeier garnicht aus "freiem Land"

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Curly
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Freilandeier garnicht aus "freiem Land"

Beitrag von Curly » Di 8. Jun 2010, 12:54

Es war ja klar, dass das passieren musste.
Regeln und Gesetze sind ja schließlich zum Brechen da... :autsch:

Nun sind Freilandeier auf dem deutschen Markt mitunter garnicht
aus Freilandhaltung...

Seht selbst:

https://tierschutznews.ch/radar/eier/2832-eierbetrug-im-deutschen-supermarkt.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Gruß,
Curly



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Re: Freilandeier garnicht aus "freiem Land"

Beitrag von Tierliebhaberin » Di 8. Jun 2010, 12:57

Na das war doch wieder klar - ganz toll :jordi:



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Murx Pickwick
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Re: Freilandeier garnicht aus "freiem Land"

Beitrag von Murx Pickwick » Di 8. Jun 2010, 13:43

Die gezeigten Ausläufe sind eh nicht geeignet für Hühner ... der Zaun könnte ganz fehlen, die Hühner hauen nicht ab, im Gegenteil, die bleiben ganz freiwillig im Stall und in der unmittelbaren Umgebung des Stalles, kratzen dort die Grasnarbe vom Boden, scheißen sich friedlich dort den Boden voll und es reichern sich so immer mehr Darmparasiten an, welche irgendwann Hühner, welche in solchen Ausläufen gehalten werden, seuchenartig erkranken lassen ... das dürfte der wahre Grund sein, die Hühner lieber im Stall zu halten.
Dazu kommen dann noch seuchenrechtliche Bestimmungen aufgrund von Vogelgrippe, welche über Monate die Hühnerhalte zwang, die Hühner in ihren Ställen zu halten. Die Eierproduzenten hatten also nun den direkten Vergleich zwischen den wie die Fliegen sterbenden Hühnern auf ihren nicht geeigneten Ausläufen und den gesunden Hühnern innerhalb des Stalles - nun sagt mal ganz ehrlich, wie würdet ihr euch an deren Stelle entscheiden?

Hühner sind vom Ursprung her Waldvögel, welche in kleinen Familientrupps mit einem Hahn und ein oder mehreren Hennen samt Nachwuchs ziemlich ortstreu umherstreifen. Wanderungen, wenn sie denn überhaupt stattfinden, sind bestenfalls ein paar Kilometer weit ... offene Steppengegenden werden gemieden, einzig am Waldrand kann man Bankivahühner noch finden ...

Der gezeigte Auslauf ist nix anderes wie eine offene Grassteppe ...

Die Hühner auf alten Höfen hatten einen Ersatz für ihren Wald bekommen - baumbestandene Höfe mit Misthaufen (welcher dem Waldboden von der Besiedlung her sehr ähnlich ist) und Sträucher um den Hof drumherum - ist zwar kein Wald, aber offenbar noch waldähnlich genug, als daß die Hühner sich dort wohlfühlten und gesund blieben ... trotz Misthaufens.
Selbst in den Pyrenäen und in Marokko im Gebirge, wo nun wirklich kein Baum mehr wächst, hatten die Hühner wenigstens Büsche und hohes Gras, Gräben und Felsen zum Verstecken ... zwar auch nicht mehr artgerecht, aber offenbar noch artgerecht genug, um sie nicht erkranken zu lassen.
Dazu kommt, daß sie traditionell, egal wo Hühner gehalten wurden, in Familientrupps gehalten wurden - ein Hahn, 2 - 8 Hennen pro Hahn ... gut, es waren meist mehrere Familientrupps eng gedrängt auf den Höfen, aber auch das ging noch, weil sich die einzelnen Familientrupps ausweichen konnten und durch die Felsen, Büsche, Gräben, Gebäude und was sonst noch so alles auf so nem Bauernhof in der Gegend rumsteht, voreinander Sichtschutz hatten. Nur im nächtlichen Stall waren sie eng zusammengedrängt - aber das ist offenbar für Hühner nicht so schlimm, sie schlafen ja nachts.

Diese Art der Haltung hat sich selbst bei Rassegeflügelhaltern nicht viel geändert, die Ausläufe werden mit Büschen, Topinambur und ähnlich hohen Gewächsen oder aber mit Holzwänden strukturiert und die Hühner in Familientrupps mit einem Hahn und 2 - 6 Hennen zusammen gehalten.

Erst in der Massentierhaltung ist das alles anders ... dabei könnte man doch diesen äußerst freien Auslauf mit wenig Aufwand aufwerten, indem "Wald" in Form von Knicks und Büschen angepflanzt wird - die Hühner würden dann ganz von allein mehr Fläche nutzen, weil sie sich weiter von ihrem schützenden Stall wegtrauen würden.

Es kommt jedoch noch ein Umstand hinzu - es werden die ganz normalen Hybriden für Freilandhaltung verwendet - die sind jedoch nur einseitig auf Legeleistung und nix anderes gezüchtet ... gänzlich unggeignet für Freilandhaltung, weil die, selbst wenn sie wollen, nicht weit vom Stall weggehen. Diese Hühner bringen es fertig und bleiben ihr Leben lang zwischen Futternapf und Legenest! Die sind gar nicht mehr in der Lage, ihr Futter im Auslauf zu suchen!
Ganz anders einige alte Landschläge, beispielsweise Annaberger Haubentstrupphühner, Krüper, Araucana oder Italiener ... sie entfernen sich zum Teil bis zu 1500 m vom Stall und sind den gesamten Tag unermüdlich dabei, Futter im Auslauf zu suchen. Man braucht hier nur noch zufüttern, um die Hühner abends sicher wieder in den Stall zu bekommen. Allerdings bringen sie erstens nicht die erforderliche Legeleistung, weil sie seit mind. 50 Jahren nur noch auf Schönheit für Ausstellungen gezüchtet werden und zweitens gibt es viel zu wenig Hühner von denen, um damit so nen Stall samt Auslauf, der für 500 und mehr Hühner ausgelegt ist, zu befüllen ...

Es fehlen also Züchter, welche den Mut haben, aus solchen Landschlägen leistungsstarke Freilandhühner zu züchten und es fehlt die Aufklärung der Eierproduzenten und Broilerproduzenten, wie ein Auslauf gestaltet werden muß, damit dieser von den Hühnern auch genutzt werden kann!

Es ist also auch hier wieder zu wenig weit gedacht worden, wenn nur der Produzent verurteilt wird ... an den tatsächlichen Mißständen, welche wir uns mit der Massentierhaltung eingebrockt haben, ändert das erstmal gar nix ... der nächste Produzent wird nämlich genau wie dieser hier die gleiche Feststellung machen, scheucht er seine Hochleistungslegehybriden oder superschweren Hybridbroiler in die Freiheit, bleibt ihm gerade mal ein Bruchteil an Produktionsmaterial über, um damit Geld zu verdienen, weil sein geliebtes Federvieh aufgrund von Darmerkrankungen die Grätsche macht. Beläßt er sein Geflügel im Stall, bleibts gesund und munter und produziert halt so vor sich hin, wie es sich gehört ... er hat also die Wahl zwischen Konkurs oder Mogeln ...
Die meisten Produzenten werden Mogeln wählen.



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Re: Freilandeier garnicht aus "freiem Land"

Beitrag von Curly » Di 8. Jun 2010, 13:47

Huhu Murx,

sicherlich hast du Recht.

Wenn die Hühner allerdings nicht in Freilandhaltung gehalten werden sollen/können (whatever),
dann sollte ich als Produzent auch so ehrlich sein und deren Eier nicht als solche verkaufen wollen.

Ich denke einzig und allein darum geht es in dem Beitrag.


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Re: Freilandeier garnicht aus "freiem Land"

Beitrag von Murx Pickwick » Di 8. Jun 2010, 15:05

Das Problem ist dann jedoch wieder der drohende Konkurs ...
Für Freilandeier kann man erstens ein paar Cent mehr nehmen und zweitens werden die auch abgenommen - wenn die jetzt plötzlich zu Bodenhaltungseiern werden, verliert der Produzent seinen Großkunden, von dem er abhängig ist und er kann die Eier nicht mehr so teuer verkaufen - die zu erwartenden Verluste belaufen sich auf einige Tausend Euro im Jahr!
Die meisten Produzenten, welche auf Freiland umgestellt hatten, hatten sich jedoch hoch verschuldet gehabt, nun haben sie das Problem, daß die Futterkosten zu dem, was sie pro Ei bekommen, enorm gestiegen sind und sie trotzdem irgendwie die Schulden abbezahlen müssen. Das ist im Grunde genommen eine Spirale direkt nach Hartz IV ... einige versuchen sich halt dann noch durch Mogeleien über Wasser zu halten, andere geben gleich auf, einen Ausweg gibts nur selten.

Wenn an dieser Stelle eine vernünftige Beratung einsetzen würde, kämen diese Produzenten dagegen durchaus aus dieser Zwangslage und würden nicht arbeitslos werden, die Kosten für eine endgültige Umstellung auf artgerechte Tierhaltung mit Sträuchern im Auslauf lassen sich managen, wenn man da geschickt genug rangeht, artgerechte Eier bringen den Zusatzgewinn und neue Kunden, welche diese Leute für eine solche Umstellung brauchen. Direktvermarktung kann die schlimmsten Konsequenzen des Großkundenverlustes abpuffern.
Aber - da sie hochverschuldet sind, können sie sich dabei keine Fehler mehr leisten, die Beratung muß also entsprechend gut sein und die Umstellung muß reibungslos vonstatten gehen.
Geholfen wäre den Produzenten und deren Hühnern - und den Kunden, welche nun tatsächlich das bekommen, was auf der Packung steht.



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