Futterrübengrün von den Feldern, führte zu Blähungen = Tod

Antworten
Benutzeravatar
lapin
Administrator
Administrator
Beiträge: 30761
Registriert: Do 13. Nov 2008, 17:52
Land: Deutschland
Wohnort: stadtroda
Hat sich bedankt: 1782 Mal
Danksagung erhalten: 1080 Mal
Geschlecht:
Kontaktdaten:

Futterrübengrün von den Feldern, führte zu Blähungen = Tod

Beitrag von lapin » Mo 7. Jun 2010, 13:53

Ich habe als junges Mädchen in einem kleinen Dörfchen gelebt.
Hier hatten wir öfters mal 6-10 Schafe auf den Wiesen stehen, befestigt an Pflöcken.

Meine damalige Freundin und ich, haben uns immer liebevoll um sie gekümmert...und vor allem gefüttert, denn der gepflockte Bereich war ja meist nach wenigen Stunden schon ordentlich abgegrast.

Nun hatten wir direkt neben den Wiesen ein großes Feld wo Futterrüben angepflanzt worden.
Wir natürlich in größter Freude gepflückt und an unser Lieblingsschaf gefüttert (es hieß Flecky :love:).

Am nächsten Tag, als wir es wieder besuchen wollten, war Flecky weg....wir klingelten beim Schafbesitzer der uns dann erzählte, dass das Schaf geschlachtet werden musste, wegen Blähungen und das lag an der Fütterung von unserem Futterrübengrün.

Hat er geflunkert oder könnte da was dran sein?
Das war so ein zahmes Schaf, es ist schrecklich mit diesem Gewissen es umgebracht zu haben leben zu müssen, auch wenn es schon über 10 Jahre her ist!


Lg lapin"Das Leben ist 10% was dir passiert und 90%, wie du darauf reagierst."

Benutzeravatar
Murx Pickwick
Planetarier
Planetarier
Beiträge: 11688
Registriert: Sa 10. Jan 2009, 17:45
Land: Deutschland
Hat sich bedankt: 289 Mal
Danksagung erhalten: 1720 Mal
Kontaktdaten:

Re: Futterrübengrün von den Feldern, führte zu Blähungen = T

Beitrag von Murx Pickwick » Mo 7. Jun 2010, 15:20

Da ist leider eine Menge dran ...

Zu eiweißreiche Kost kann, vor allem, wenn das Schaf nur magere, abgegraste Weide oder eiweißarme Winterfütterung gewöhnt ist, dazu führen, daß im Pansen sich durch den Abbau des Eiweißes durch Mikroben kleine Luftbläschen mit hoher Oberflächenspannung bilden. Es entsteht also Schaum.
Anders, wie normalerweise, wo die Gasblasen nach oben steigen und sich dann zu einer großen Blase vereinigen, die mit dem Hervorwürgen des Nahrungsbreies zum Wiederkäuen mit hochgewürgt (also ausgerülpst) wird, passiert das bei zu eiweißreicher Nahrung nicht ... es bildet sich also immer mehr Schaum im Pansen, welcher den Pansen aufbläht, die Pansenwand immer mehr spannt und schließlich dazu führt, daß die anderen Organe, welche nun kaum mehr Platz haben, nicht mehr arbeiten können - das Schaf stirbt langsam und qualvoll ...

Es ist möglich, wenn das rechtzeitig bemerkt wird, sowas zu behandeln - als erste Hilfe Maßnahme ist es wohl beispielsweise möglich, Pflanzenöl einzuflößen, der TA wird dann, sobald er da ist, weitere Mittelchen geben, welche die Oberflächenspannung der einzelnen Luftbläschen verringern, so daß die Luftbläschen sich vereinigen können und wie vorgesehen in den oberen Bereich des Pansens wandern können, wo sie dann halt mit dem nächsten Wiederkäuen ausgerülpst werden. Wenn jedoch speziell der Pansen, oder aber andere Organe, aufgrund des Platzmangels ihre Funktion eingestellt haben, ist wohl meines Wissens alles zu spät, das Schaf stirbt.

Ein weiteres Problem entsteht, wenn zuwenig Ballaststoffe (also Pflanzenfasern grober Struktur, welche selbst vom Schaf nicht verdaut werden können) enthalten sind oder wenn das Verhältnis von wasserlöslichen Kohlenhydraten (Stärke und Zucker) zu Eiweiß nicht stimmt. Dabei kann es zu einer sogenannten Alkalose kommen, das heißt, für das Schaf giftiges Ammoniak wird im Pansen gebildet und kommt da nicht mehr raus ... das führt zu erheblichen Schmerzen und Durchfall. Auch das ist für Schafe oft tödlich, wenn nicht rechtzeitig sog. Strukturfutter, also Stroh, Heu, Laub oder strukturfaserreiche und einwandfreie Silage gefüttert wird.

Das Problem entstand während der Domestikation ... während Wildschafe teilweise sehr weit wandern, um eben nährstoffreiche Weiden zu finden und von eiweißreicher zu eiweißreicher Pflanze laufen, können unsere gehaltenen Schafe diese Wanderungen nicht mehr ausführen, sie müssen also mit magerer, pflanzenfaserreicher Kost irgendwie klar kommen und haben sich mit der Zeit auch daran angepaßt. Was sich jedoch noch nicht angepaßt hat, das ist die Futterpräferenz, noch immer werden die eiweißreichen Kräuter und Gräser bevorzugt - nur fehlen halt die kilometerlangen Wanderungen dazwischen und die entsprechende Mikrobengesellschaft im Pansen ... es kommt also zur Katastrophe im Pansen.



Benutzeravatar
lapin
Administrator
Administrator
Beiträge: 30761
Registriert: Do 13. Nov 2008, 17:52
Land: Deutschland
Wohnort: stadtroda
Hat sich bedankt: 1782 Mal
Danksagung erhalten: 1080 Mal
Geschlecht:
Kontaktdaten:

Re: Futterrübengrün von den Feldern, führte zu Blähungen = T

Beitrag von lapin » Mo 7. Jun 2010, 16:00

Och man.... :(...

Naja, es sind Nutzschafe in den wenigsten Fällen wurde sich da die Mühe gemacht, medizinisch zu helfen!
Das heißt, es ist besser ALLGEMEIN alle Wiederkäuer nicht unbedingt mit iwelchen Dingen zu füttern? Denn es könnte gerade bei diesen Arten zu Problemen kommen oder liegt das nur an den fehlenden "wanderschaften" der Schafe, die evtl als einziger Wiederkäuer darauf angewiesen sind?

Wie sieht es mit den Schafen aus, die unter einem Schäfer leben?
Sie sind ja doch Wanderschaften gewöhnt...da anders mit der Verdauung?


Lg lapin"Das Leben ist 10% was dir passiert und 90%, wie du darauf reagierst."

Benutzeravatar
Murx Pickwick
Planetarier
Planetarier
Beiträge: 11688
Registriert: Sa 10. Jan 2009, 17:45
Land: Deutschland
Hat sich bedankt: 289 Mal
Danksagung erhalten: 1720 Mal
Kontaktdaten:

Re: Futterrübengrün von den Feldern, führte zu Blähungen = T

Beitrag von Murx Pickwick » Mo 7. Jun 2010, 16:11

Auch Wanderschäfer weiden ihre Tiere auf mageren Weiden und wandern mit den Schafen nicht von eiweißreichem Pflänzchen zu eiweißreichem Pflänzchen, wie es die Wildschafe tun ... es ist also das gleiche Problem in Grün, wobei allerdings einige Wanderschäfer sagen, wenn sie ihre Schafe an eiweißreiche Kost gewöhnen, können diese auch auf Kleewiesen weiden, ohne daß da was passiert ... da scheint also auch die Pansengesellschaft eine maßgebliche Rolle zu spielen, was die Schafe vertragen.
Ist ja nix anderes letztendlich wie mit unseren Fermentierern unter unseren Haustieren, den Meerschweinchen und Kaninchen ... wenn die Kohl nicht gewöhnt sind, kann das zu ernsten Problemen bis hin zu tödlichen Koliken kommen, wenn sie plötzlich viel Kohl bekommen.

Ich denke, hier kommt es auch ein wenig auf Rasse und Schlag drauf an ... Schnucken, egal ob Moorschnucken oder Heidschnucken, wurden seit mind. zwei Jahrhunderten, vermutlich sogar noch längere Zeit, ohne Einkreuzung anderer Schafe auf moorigem und mageren Gelände geweidet. Da hat sich alles auf diese magere, eiweißarme Kost angepaßt. Man kann sie auch heute noch auf Weiden weiden lassen, da würde ein Milchschaf glatt drauf verhungern.
Wenn man Schnucken mit einem Futter mit zu hoher verdaulicher Energie füttert, werden sie halt krank.
Merinos dagegen wurden, damit sie viel möglichst feine Wolle brachten, eher auf eiweißreicheren Weiden geweidet ... also sollten sie auch eiweißreicheres Futter abkönnen.



Antworten

Zurück zu „Schafe Ernährung“