Wie mache ich aus einem Hund in 17s eine Bestie?

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Murx Pickwick
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Wie mache ich aus einem Hund in 17s eine Bestie?

Beitrag von Murx Pickwick » Fr 2. Jan 2015, 00:02

Es gibt immer wieder Hunde, die ihren Napf verteidigen - eigentlich vollkommen normal, kann jedoch in einigen Situationen unangenehm werden, wenn Menschen das normale Verteidigung der eigenen Ressourcen (also die Futterverteidigung) mißverstehen und dann falsch reagieren. Es kann also wichtig sein, Hunde dazu zu bringen, ihren Napf samt Futter nicht zu verteidigen ... so daß wirklich jeder, Fremder, Kind, was auch immer am Hund vorbeikann, ohne daß der Hund knurrt oder schnappt, weil er das Vorbeigehen als Futterwegnahme interpretiert.
Genaugenommen gehört das Abgewöhnen der Futterverteidigung schon zum Standardprogramm eines Hundetrainers. Das Gefährliche an der Sache ist nur, wenn jemand, der nur aufgrund der Effekthascherei unter dem Deckmäntelchen der Hundeausbildung den Hund erst richtig provoziert - das kann recht schnell nach hinten losgehen, wie man in folgendem Film sieht (es empfiehlt sich, den Ton auszuschalten, um diesen Film in voller Schärfe zu genießen, ohne sich von Musik und den absolut nicht passen wollenden Erklärungen dazu ablenken zu lassen):
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Der Anfang verläuft noch ganz normal ... der Hundetrainer zeigt dem Hund den Napf mit Futter, der Hund ist gegenüber diesem für ihn fremden Menschen recht unsicher und zeigt das deutlich mit Zunge zeigen, Ohren nach hinten richten und Augenzwinkern. Der Hund respektiert den "Besitz" des Napfes und geht nicht ans Futter, sondern richtet eine Anfrage an den Hundetrainer, ob er da überhaupt rangehen kann (kurzes Schauen, wohin das Futter gestellt wird, danach deutliches Ansehen des Hundetrainers mit nach hinten gestellten und nicht angelegten Ohren, kurzem Augengruß (dieses ganz kurze Hochziehen der Brauen auf 00:04 mit gleichzeitigem Heben des Kopfes) und Blick aufs Kinn).
Soweit alles normal ... alles spricht für einen sehr friedlichen Hund mit deutlicher, klarer und sogar für den Menschen erkennbarer und gut interpretierbarer Mimik.

00:06
Der Hundetrainer antwortet mit offensiver Drohung: Anstarren in die Augen des Hundes, Nach oben ziehen der Schultern, so daß er größer erscheint, zusammengekniffene Augen, gespannte Lippen mit gerader Lippenlinie, volle Vorderfront zum Hund gekehrt, leicht nach vorn gelegter Oberkörper - ich hoffe das sieht hier jeder.
Übrigens wird von der Seite gefilmt - mit Absicht, denn wenn aus Hunderichtung aus gefilmt werden würde, also so, wie der Hund diesen Hundetrainer sieht, würde auch der werthe Zuschauer diese offensive Drohung als solche empfinden! Von der Seite sieht das eher aus, als wenn dieser Hundetrainer sich nur zum Hund runtergekniet hätte, um sich kleinzumachen ... Affenpolitik halt ...

00:07
Frontaleinstellung zum Hundegesicht - man sieht deutlich die Verunsicherung des Hundes durch diese offensive Drohung - man sieht die offensive Drohung des Trainers jedoch nicht, da von hinten am Ohr des Trainers vorbeigefilmt wird.
Der Hund versucht zu schlichten, er richtet seinen Blick nach seitwärts unten - übrigens eine auch für uns Menschen gut verständliche Schlichtungsgeste (die etwas weniger korrekt als Hals anbieten in der Hundeausbildungsliteratur beschrieben wird)! Auch bei uns heißt das, sei mir bitte nicht böse, ich bin dir unterlegen, bitte tu mir nix, ich bin verunsichert und verlegen, was soll ich tun ...

00:11
Der Trainer zeigt dem Hund das Fressen und gibt dem Hund so das Zeichen - ja, du darfst fressen ... droht jedoch weiter. Der Hund läßt sich jedoch partout nicht weiter einschüchtern, Menschen sind halt manchmal komisch, er frißt - ohne zu knurren, ohne zu murren. Es gibt KEIN Anzeichen für Aggression gleich welcher Art seitens des Hundes.

00:16
Jeder normal denkende Trainer würde spätestens jetzt eine entspannte Haltung einnehmen, den Hund loben für die Friedlichkeit, dem Hund nen Leckerlie extra anbieten oder was auch immer, damit die Situation weiterhin entspannt bleibt und der Hund lernt, er braucht sein Futter nicht zu verteidigen - nicht so dieser Trainer!
Diesem Trainer reicht es nicht, daß der Hund so friedlich bleibt! Im Gegenteil, er droht weiter UND bewegt sich nun mit dem linken Fuß in die Individualdistanz des Hundes! Der Hund, böses ahnend, erschreckt sich, zuckt zusammen und verspannt sich sichtlich - bleibt aber immer noch friedlich! Fängt allerdings an, sein Futter möglichst schnell zu schlingen, denn offenbar wird er hier ja gleich von seinem rechtmäßigem Futter verjagt werden!
Scheint wohl für diesen Trainer immer noch zu friedlich zu sein, denn dieser setzt nun seinen anderen Fuß nach und beugt sich nun drohend über den Hund und greift in fließender Bewegung Richtung Hundehals! (Nicht den Napf - sondern nach dem Hund! Auch, wenn er den Hund nicht berührt, das ist ein eindeutiger Angriff in Hundesprache!)
Auch, wenn das Gesicht weggeschnitten ist, man erahnt den stark nach vorn gebogenen Oberkörper dieses Trainers anhand der Stellung der Arme und des Allerwertesten!
Erstmalig im gesamten Film zu beobachten, der nun verschreckte und total verunsicherte Hund verliert endgültig seine Selbstbeherschung und warnt nun seinerseits defensiv mit Seitwärts-Schnappdrohen.

00:18
Jeder normaldenkende Hund würde nun diesem Hund die Wahl lassen - entweder, du haust ab und es passiert dir nix, oder du gehst ans Futter und es gibt Saures ... dieser Hund würde sich daraufhin grollend vertreiben lassen - aber, diesem Trainer scheint das noch nicht zu reichen ... der Trainer "schnappt" nun mit seiner Hand den Hals des Hundes, und zwar genau dort, wo ein angreifender, bissiger, hochaggressiver Hund auch hinbeißen würde!
Nun ... der Hund weicht aus und droht nun deutlich mit Zähnezeigen - unmißverständlich! Die Ohren sind nun angelegt, was man nicht sieht, der Hund stellt seine Bürste auf, was man bei abgestelltem Ton nicht hört, der Hund blafft erschreckt und knurrt ... das ist einfach zuviel, es geht ab hier für den Hund auf Leben und Tot!
Entweder, er verteidigt sich - oder er wird totgebissen!
Mal ganz ehrlich ... was würdet ihr als Hund in einer solchen Situation denken, nachdem euch jemand 18 Sekunden lang offensiv bedroht hat?

Ich denke, das nun folgende brauch ich nicht mehr weiter zu kommentieren - ein in die Ecke gedrängter Hund in Selbstverteidigung, ein aggressiver Hundetrainer, es kommt, wie es kommen muß ...

Leider wird das nicht der einzige Beißvorfall bleiben, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird dieser Hund ab diesem Augenblick immer wieder nach anderen Menschen schnappen, sobald diese sich hinhocken oder an ihm vorbeigehen, wenn er frißt - er wird aufgrund einer solchen Erfahrung nicht mehr auf offene Aggression warten - sondern sich schon bei geringster Annährung verteidigen!
Der Hund wurde von einem berechenbaren und sehr friedlichem Hund zu einer Bestie!
Und das innerhalb weniger Sekunden - die hohe Kunst der Hundeausbildung!


Wer es immer noch nicht glaubt, daß dieser oben gezeigte Hund selbst am Futternapf mal friedlich war und erst aufgrund der anhaltenden Bedrohung und des Angriffs des Trainers aggressiv wurde, ein anderes Beispiel - diesmal ein wirklich futteraggressiver Hund. Auch dieser wurde zu Demonstrationszwecken provoziert - allerdings so, daß die Situation zu jeder Zeit nicht nur beherrschbar blieb, sondern nur gezeigt wurde, daß dieser Hund sich verspannt, wenn man an seinen Napf geht.
Man beachte übrigens - es wurde ein Stock mit einer künstlichen Hand benutzt, der Mensch blieb weit außerhalb der Individualdistanz des Hundes, um ihn eben NICHT zu reizen, zu bedrohen oder sonstwie aggressives Verhalten auszulösen! Die künstliche Hand wurde SOFORT zurückgezogen, sobald der Hund eine Reaktion (in dem Fall Verspannung, also noch weit vor der ersten Drohung!) zeigte - der Hund wurde also selbst während der Provokation ernst genommen!
Die eigentliche Ausbildung zum friedlichen Hund am Napf ging über Futter und es wurde einzig ausgenutzt, was dieser Hund freiwillig anbot - und das war in diesem Fall eine ganze Menge!
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Ist natürlich ein wenig unspektakulär - so kann man schlecht zeigen, was für ein cooler Hundedompteur man selbst ist, der selbst mit der gefährlichsten Töle fertig wird ... sry, mein Sarkasmus ...
Nach einer solchen Erfahrung wie im zweiten Film braucht es nicht mehr viel, dem Hund beizubringen, egal, wer wie auch immer an den Napf geht, er bekommt mehr Futter von den Menschen, die in seinem Napf rumwühlen, wie er jemals im Napf verteidigen könnte - dieser Hund wird mal ein äußerst friedlicher Hund am Napf werden bzw eher den Napf verlassen, als daß er dort noch irgendwas, was auch immer, verteidigt!



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Re: Wie mache ich aus einem Hund in 17s eine Bestie?

Beitrag von Heike » So 4. Jan 2015, 17:11

Womit mal wieder klar wird, die größte Bestie ist und bleibt der Mensch :|



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